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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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gehörte. Was sollte er sagen? Etwa, daß er der Butler von Mr. Blassingame sei und der gnädige Herr sich nicht zu Hause befinde?
    Es hörte nicht zu läuten auf.
    Es könnte Eric sein.
    Oder sein Boss.
    Vielleicht sollte er doch abheben?
    Nicht, wenn er seinen Anruf machen wollte.
    Es hörte zu klingeln auf.
    Fünfundfünfzigtausend Dollar sind eine Menge Geld.
    Christine wußte, daß sie eine reiche Frau war. Und wenn erst Stuarts Hinterlassenschaften geordnet und die Versicherung ausbezahlt waren – sie schauderte bei dem Gedanken –, konnte sie sich nach jedem Maßstab als sehr reiche Frau betrachten. Und doch waren ihrem Empfinden nach fünfundfünfzigtausend Dollar eine Menge Geld.
    Sie fuhr den großen Lincoln, das Geld lag in einem Umschlag auf dem Beifahrersitz. Die Leute von der Bank waren wirklich sehr zuvorkommend und hilfsbereit gewesen. Und das Verfahren war ganz unkompliziert vor sich gegangen, und niemand hatte ihr Fragen gestellt, was sie mit dem vielen Bargeld wollte. Es bedurfte nur eines Ferngesprächs mit ihrer eigenen Bank, diskret in einem Nebenzimmer geführt, einiger Unterschriften, und dabei empfahlen sie ihr nicht einmal, ein Konto in Louisville zu eröffnen. Wahrscheinlich hatten sie angenommen, sie würde das Geld für Pferdewetten brauchen. Wenn nur alles im Leben so ohne Schwierigkeiten und Verzögerungen ablaufen würde …
    Sie mochte diese Landstraßen. Eben noch hatte es leicht genieselt, und die Kühlerhaube, der Asphalt und die Blätter der Bäume und Büsche sowie die Gräser waren noch feucht. Ihr machte der Regen nichts aus, obgleich Fireaway ihn nicht schätzte und Owen ihn fürchtete. In New Mexico war ihr jeder Tropfen willkommen gewesen, weil er die Wüstenei zum Leben und Grünen erweckte. Kentucky war ihr in den vergangenen Jahren sehr abgegangen, auch wenn sie es nicht so direkt gemerkt hatte.
    Man stelle sich vor, daß Clay Chalmers damit drohte, den eigenen Bruder ins Gefängnis zu bringen – und sie dazu! Was konnte er nur gemeint haben? Und die Geschichte mit Marylous Reiseschreibmaschine.
    Sie bog in ihre baumbestandene Auffahrt ein und konstatierte erstaunt, daß die weiße Corvette dastand, die Owen für die Derbywoche gemietet hatte. Natürlich mußte es eine Corvette sein, und weiß.
    Sie hatte sich Zeit gelassen, weil sie glaubte, er würde an der Rennbahn sein.
    Die Haustür ging auf, noch ehe der Wagen stand. Owen kam die Stufen zwischen den Säulen herunter.
    »Hast du es?«
    »Ja, Liebling. Natürlich. Owen, du siehst so …«
    »Vergiß es. Wo ist es?«
    Sie nahm den Umschlag in die Hand, auf dem der Name der Bank in Gold eingestanzt war. Klar, daß Owen so aussah. Wenn man an die unvorstellbaren Dinge dachte, die die grässlichen Leute ihm angedroht hatten …
    Er nahm ihr den Umschlag aus der Hand.
    »Owen«, sagte sie, »paß auf dich auf. Hörst du?«
    Er nickte nur und ging zur Corvette. »Ich schaffe es schon«, versicherte er ihr kurz angebunden und stieg ein. »Ich weiß nicht, wann ich zurückkomme.«
    »Owen, ich mag nicht, wenn du so … aussiehst.« Dann kam ihr ein schrecklicher Gedanke. »Sie werden dir doch nichts tun, wenn du sie bezahlt hast, oder?«
    Er machte die Wagentür hinter sich zu. »Das liegt mir nicht im Magen. Stell dir vor, Chrissie, mein verdammter Bruder hat Erics Dobermann umgebracht.«
    Nein, das war nicht zu fassen. »Aber warum?«
    Er schüttelte den roten Kopf und sagte: »Keine Ahnung. Vielleicht um mir eins auszuwischen.« Er ließ den Motor aufröhren.
    »Weswegen?«
    »So war der Bastard schon immer. Hat ein paar Schrauben locker, das hat unser Pa auch immer gesagt.« Der Wagen fuhr los und verschwand rasch zwischen den Bäumen.
    Sie ging ins Haus. Da mußte man sich nicht wundern, wenn Owen nicht so gutgelaunt und strahlend wie sonst war – der Owen, den sie in ihr Herz geschlossen hatte. Wie sich gestern in den Downs alle nach ihm umgedreht hatten! Besitzergreifender Stolz kam wieder einmal in ihr hoch.
    Sie beschloß, etwas zu trinken. Warum auch nicht? Der Tag lag leer vor ihr, und sie hatte nichts zu tun, ehe Owen zurückkam. Sie könnte natürlich wieder in die Stadt fahren und einen Einkaufsbummel machen und die Atmosphäre genießen, die ihr so vertraut war und die sie so lang entbehrt hatte. Sie goß sich einen Gin mit einem Schuß Wermut ein. Oder sie könnte alte Freunde besuchen. Wen? Sie nahm den Hut ab und ließ ihn quer durch das Zimmer fliegen. Niemand trug heute mehr einen Hut. Der Gin

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