Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
müssen sein Spiel mitspielen, wenn wir das hier überleben wollen.«
Sabine nickte, schluchzte, ließ ihren Kopf zurückfallen und presste.
»Ich drücke gegen deine Knie. Stemm dich mit aller Kraft dagegen. Und pressen!«
Sabine brüllte ihren Schmerz heraus. Immer wieder war sie kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Sie keuchte. »Ich habe keine Kraft mehr«, quälte sie hervor.
»Reiß dich zusammen! Für dein Kind. Jetzt press.«
So sehr sich Sabine auch mühte, die Geburt schien einfach nicht vorangehen zu wollen.
Kerstin reagierte nicht, als der Riegel zurückgeschoben und die Zellentür quietschend geöffnet wurde. Zu beschäftigt war sie in ihrem Bemühen, Sabine helfen zu wollen.
»Du musst Platz machen«, hörte sie seine Stimme hinter sich. Unfähig zu begreifen, was er wollte, starrte Kerstin auf das Stativ, das er in diesem Moment ausrichtete und sie beiseitezuschieben versuchte.
»Was tust du da?«
»Mach Platz«, forderte er erneut.
»Verpiss dich mit deiner Scheißkamera«, schnauzte Sabine. Kerstin konnte nicht verhindern, dass er ihr dafür abermals einen kräftigen Schlag ins Gesicht verpasste. Sie rückte beiseite, so dass sie nicht gegen das Stativ stieß, an dem er sich nun erneut zu schaffen machte.
»Rück weiter zurück, damit ich dir helfen kann«, zischte Kerstin Sabine zu und bedeutete auch Nicole, sich noch weiter Richtung Wand zu bewegen.
Der Entführer richtete stur weiter seine Kamera aus und drückte den Aufnahmeknopf. Kerstin sah, wie es in Sabine brodelte, doch sie bedeutete ihr mit einem kaum bemerkbaren Kopfschütteln, es sein zu lassen.
Es musste über eine Stunde vergangen sein, doch die Geburt war ins Stocken geraten. Sabine hing in Nicoles Armen und wimmerte. Jede weitere Wehe schien ihren Körper fast zu zerreißen, doch sie war nicht mehr imstande zu pressen.
»Warum kommt das Kind nicht raus?«, fragte der Entführer.
»Ich weiß es nicht«, gab Kerstin kraftlos zurück. »Vielleicht liegt es falsch, oder es stimmt etwas anderes nicht. Wir brauchen einen Arzt.«
»Nein.«
»Aber sie stirbt, wenn sie keine medizinische Hilfe bekommt. Sie und das Kind mit ihr.«
Kurz schien er zu überlegen. Hoffnung keimte in Kerstin auf. »Wenn es nicht rauskommen will, soll es drinbleiben«, urteilte er.
Sabine schluchzte auf. »Ich will nicht sterben. Bitte. Ich werde nichts von dem hier verraten. Doch bitte, bring mich in eine Klinik.«
Seine Augen nahmen wieder die unkontrollierten Bewegungen auf. Es dauerte einen Moment, dann schaltete er die Kamera aus, griff sich das Stativ, verließ die Zelle und sperrte zu.
Die Frauen warteten, doch nichts geschah. Sabine hatte sich auf die Seite gerollt und schluchzte. Immer wieder spannte sich ihr Körper an. Es schien jedoch, als würden die Wehen schwächer. Oder hatte sie nur nicht mehr die Kraft, sich aufzubäumen? Wie in einem Dämmerzustand weinte sie leise vor sich hin. Nicole streichelte ihr beruhigend über den Kopf. Kerstin hatte sie zugedeckt, um sie in ihrer Qual wenigstens einigermaßen warm zu halten. Sie wurde starr vor Schreck, als sie bemerkte, dass sich eine Blutlache auf den am Boden liegenden Decken ausbreitete. Rasch schlug sie den Stoff beiseite, mit dem sie den nackten Körper Sabines bedeckt hatte.
»Oh, mein Gott«, entfuhr es Kerstin.
Nicole streckte sich, um sehen zu können, was sie meinte. Bei dem Anblick, der sich ihr bot, wurde ihr übel.
»Sabine, Sabine, du musst dich zusammennehmen! Wir müssen dein Kind herausholen. Hörst du mich?«
Sabines Augenlider flatterten.
»Wir müssen sie wieder auf den Rücken legen.«
Nicole hob den Oberkörper an. Vorsichtig stellte Kerstin die Beine der Schwangeren wieder auf. Das Blut pumpte ihr in kleinen Intervallen entgegen. Zögerlich tastete Kerstin nach dem Kopf des Kindes. »Ich kann die Haare spüren. Es sitzt fest.«
Nicole hob den Oberkörper noch weiter an. »Komm schon, hilf mit! Du musst wach werden! Komm, Sabine!«
Schwach öffnete diese die Augen.
»Dein Kind steckt fest. Du musst pressen, so fest du kannst!« Kerstin drang mit den Fingern immer tiefer ein, bis sie mit der Hand den Kopf des Kindes greifen konnte. Sabine schrie auf vor Schmerz.
»Gut so! Und jetzt press«, brüllte Kerstin.
Sabine bäumte sich auf. Mit einem alles durchdringenden Schrei presste sie so stark sie konnte. Kerstin spürte, wie ihr ein gewaltiger Blutschwall entgegenquoll. Beherzt umfasste sie den Kopf des Kindes und zog es seitlich drehend ein Stück
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