Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
eine tote Frau. Es musste ihnen einfach gelingen, die nötigen Beweise zusammenzukriegen. Er sah das Bild Rebecca Ganters vor sich, die Situation im Wohnzimmer, als er das erste Mal am Tatort war, und rief sich die Fotos der beiden anderen getöteten Frauen, Laura Brendel und Natascha Wending, in Erinnerung. Irgendetwas passte für ihn nicht zusammen. Sein Gefühl sagte ihm, dass er etwas übersah. Rasch schob er den Gedanken beiseite. Er musste alles tun, um den Fall Rafael Langer wasserdicht zu machen. Das war das Einzige, was jetzt zählte.
13
Mittwoch, 7 . August, 12 . 05 Uhr
Einen kurzen Moment lang hatte Falko innerlich geflucht, Harald Kunst seine Hilfe angeboten zu haben. Heike und er waren gerade wieder auf dem richtigen Weg. Alles in ihm sträubte sich, wegen seiner Arbeit einmal mehr einen Bruch zu riskieren. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, noch einige Sachen von zu Hause zu holen, sondern war gleich losgefahren. Was er brauchte, konnte er sich dort besorgen. Wichtiger als seine persönlichen Belange war es jetzt, den Tatort zu begehen und sich mit eigenen Augen ein Bild zu machen. Heike hatte mit viel Verständnis reagiert, als er sie im Krankenhaus angerufen und ihr die veränderte Situation geschildert hatte. Fast war er enttäuscht, dass sie seine vermutlich mehrere Tage dauernde Abwesenheit nicht zu stören schien. Heike wünschte ihm Glück, dann wurde sie zu einem Notfall gerufen und musste das Gespräch beenden. Sie beide hatten Berufe, die ihnen sehr viel bedeuteten. Doch für Falko war es mehr, als nur Profiler zu sein. Das Verhalten der Menschen zu lesen, ihre Vorgehensweise zu deuten, sich in Menschen hineinzuversetzen war mehr als nur eine erlernte Methode. Es war so etwas wie eine Gabe. Cornelsen und sein Team hatten die höchste Aufklärungsrate, was ihnen neben Anerkennung auch manchmal Neid von Kollegen einbrachte. Mehrfach war Falko Cornelsen ausgezeichnet und belobigt worden. Anfangs, als von echtem Profiling noch keine Rede sein konnte und Falko eher aus einer Intuition heraus versuchte, sich in die Täter hineinzuversetzen, war er noch belächelt und seine spezielle Methode als »Psychokram« abgetan worden. Ein besonders hartnäckiger Widersacher, Uwe Elsholz, der inzwischen in Rente war, hatte bis kurz vor seinem Ruhestand keine Möglichkeit ausgelassen, Falko zu kritisieren und vor anderen Kollegen als »Voodoo-Ermittler« zu titulieren. Erst als Falko einen neuerlichen Angriff damit parierte, dass er Elsholz vor versammelter Mannschaft sagte, wie schwer es sein muss, einerseits von der Frau verlassen worden zu sein und andererseits ein massives Spielproblem zu haben, dass er insoweit sogar Verständnis für sein aufbrausendes Gebaren hätte, verstummte dieser. Natürlich nicht, ohne Cornelsen zuvor als lächerlichen Lügner und Aufschneider beschimpft zu haben. Nachdem jedoch kurze Zeit später bekannt geworden war, dass Elsholz’ Frau schon vor Wochen ausgezogen war und einer Freundin, die ebenfalls bei der Polizei arbeitete, anvertraut hatte, dass sie die Spielsucht ihres Mannes einfach nicht mehr ertragen habe, verschaffte dies Falko einen gehörigen Respekt. Rolf Kramer hatte ihn damals gefragt, woher er von der Sache gewusst hatte, und Falko hatte lapidar geantwortet, dass er einfach ein guter Beobachter sei. Dass er ein Telefonat mitbekommen hatte, in dem Elsholz jemanden beschimpft hatte, weil er auf dessen »todsicheren Tipp« vertraut und nun alles verloren hatte, ließ er unerwähnt. Ebenso, dass ihm Elsholz’ äußerliche Veränderung aufgefallen war – dessen Hemden waren seit einiger Zeit nicht mehr wie sonst äußerst akkurat gebügelt, sondern waren teilweise verknittert. Statt eines Frühstücksbrotes hatte er Schoko- oder Müsliriegel hinuntergeschlungen, in der Mittagspause hatte er sich von Fastfood ernährt. Für Falko war die Sache eindeutig gewesen. Unklar war ihm nur, warum niemand außer ihm die Veränderung zu bemerken schien.
Nachdem er die ersten einhundert Kilometer auf der Autobahn zurückgelegt hatte, war er mit seinen Gedanken schon wieder ganz bei dem Fall. Er versuchte, sich in Rafael Langer hineinzuversetzen, sich ein genaues Bild über dessen Persönlichkeit zu machen. Warum hatte er seine Verlobte getötet? Sie war die Erste, damit hatte alles angefangen. Was war sein Motiv? Und weshalb hatte er Rebecca Ganter getötet? Und Natascha Wending? Passte sie wirklich ins Bild? Aber ja, es musste so sein. Zwei Frauen, denen die
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