Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
wir brauchen.«
»In Ordnung. Ich werde mein Team in Lüneburg informieren. Wir haben es mit einem Täterduo zu tun, und wir müssen aus Langer herausquetschen, wo die vermisste Frau ist.« Er tippte mit dem Finger auf das Foto Rebecca Ganters. »Unsere Autorin hier«, begann Falko. »Sie hat in ihren Büchern die Fälle haarklein so beschrieben, wie sie letztendlich stattgefunden haben.« Er berichtete ausführlich, was die bisherigen Ermittlungen diesbezüglich ergeben hatten.
»Und dann wurde sie genau wie die Gutachterin getötet?« »Ja, und zwar von Rafael Langer, da bin ich sicher. Die Beweise gegen ihn sind erdrückend.«
»Aber die Morde hier hat er nicht begangen?«
»Die Mutter mit dem Kind hat er definitiv nicht getötet. Dann hätte er schon an zwei Orten gleichzeitig sein müssen. Doch ich bin der festen Überzeugung, dass es zwischen allen Taten einen Zusammenhang gibt. Wir müssen ihn nur erkennen.« Falko fühlte, dass sie sich der Lösung näherten. Sein Unterbewusstsein wollte ihm die Richtung weisen.
»Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie der Schlüssel zu allem ist.« Wieder tippte er auf das Foto, das Rebecca Ganter zeigte. »Wir müssen bei ihr ansetzen.« Falkos Herz schlug schneller. Das Jagdfieber hatte ihn gepackt, und er sah das gleiche Blitzen in den Augen seines Kollegen.
»Ich werde gleich morgen früh eine Sonderkommission einrichten und schlage vor, dass wir es mit diesen Eindrücken für heute bewenden lassen. Oder haben Sie noch einen Ansatz, den wir verfolgen können?«
Falko sah auf die Uhr. Es war bereits kurz vor dreiundzwanzig Uhr. »Meine Güte, ich habe nicht gemerkt, wie die Zeit verflogen ist.«
»Ich auch nicht, meine Knochen aber schon.« Kunst lächelte gutmütig.
»Sie haben recht, wir werden heute Abend nichts mehr erreichen können.«
»Ich werde jemandem Bescheid geben, der Sie ins Hotel fährt. Ihre Sachen sind bereits dort, und Ihr Autoschlüssel liegt an der Rezeption.«
»Danke. Dann sehen wir uns morgen früh.«
x x x
Seit Sabines Tod war alles noch schlimmer geworden. Er war so gereizt, dass schon eine winzige Kleinigkeit ausreichen würde, um ihr eigenes und Nicoles Schicksal zu besiegeln. Sie spürte, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, wann er auch sie tötete. Offenbar hatte ihn die Tatsache, dass nicht nur er allein über ihr Leben oder ihren Tod entscheiden konnte, sehr mitgenommen. Die Frage war nur, was er jetzt mit ihnen anstellen würde. Quälende Stunden lang war die Hoffnung in Kerstin gereift, dass er sie vielleicht doch freilassen würde. Womöglich hatte Sabines Tod ein Umdenken bei ihm bewirkt. Doch nun schwanden ihre Hoffnungen mit jeder Sekunde ein bisschen mehr. Sie spürte, etwas unternehmen zu müssen. Heute Morgen hatte er Nicole zum Videozimmer hinübergebracht und war stundenlang mit ihr dort geblieben. Sie hatte gelebt, als er sie wieder in die Zelle zurückgebracht hatte, so viel hatte Kerstin mitbekommen. Seither hatte er sich nicht mehr blicken lassen.
Die Veränderung, die in den letzten Tagen in ihm vorgegangen war, ängstigte sie. Der Druck auf ihn schien sich vergrößert zu haben. Lag es daran, dass die Polizei ihm auf die Schliche kam? Kerstin meinte, dass er schon vor Sabines Tod aggressiver war als sonst. Das konnte also nicht der Grund sein. Doch die Totgeburt und Sabines Verbluten hatten etwas in ihm ausgelöst, das kaum mehr rückgängig gemacht werden konnte. Ein Gefühl sagte Kerstin, dass es an der Zeit war zu handeln, bevor er ihr jede Chance dazu nahm. Sie hatte sich etwas überlegt. Laut rief sie ihn.
»Was machst du denn!«, hörte sie Nicoles Stimme. »Nicht! Er wird dich umbringen.«
Doch Kerstin ließ sich nicht beirren. Abermals brüllte sie, so laut sie konnte. Sie erschrak, als er wie aus dem Nichts vor ihren Gitterstäben auftauchte. Sein Gesicht war rot vor Zorn.
»Ich habe dir verboten zu sprechen!«, brüllte er und schloss wütend die Tür auf. Mit einer Reitpeitsche schlug er sofort auf Kerstin ein. Er brach ab, als sie reglos dastand und sich weder schützend die Hände vor den Körper hielt noch sich sonst irgendwie zur Wehr setzte.
»Ich muss mit meinem Sohn sprechen«, sagte sie, so ruhig es ihr möglich war.
Er setzte gerade nochmals zu einem Schlag an, erstarb dann aber in der Bewegung.
»Was?«
»Mein Sohn. Ich möchte mit ihm sprechen.«
Seine Augen jagten hin und her. Von Kerstin zum Boden, durch die Zelle, zur Decke und wieder zu Kerstin. Es schien ihr, als
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