Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
sich hinein. Er brachte also auch Nicole etwas zum Anziehen. Sie fühlte sich, als hätte sie einen ersten großen Sieg errungen.
15
Donnerstag, 8 . August, 7 . 25 Uhr
Gestern Abend war es schon zu spät gewesen, um Heike noch anzurufen. Also hatte er ihr eine SMS gesandt und eine Viertelstunde gewartet, ob sie vielleicht noch wach war und sie hätten telefonieren können. Enttäuscht hatte er sich schließlich schlafen gelegt. Er hatte das Handy die ganze Nacht angelassen, jedoch keine Antwort erhalten. Es war kurz vor halb acht, als er geduscht hatte und bereit war, zum Frühstück zu gehen. Vorher wollte er wenigstens noch kurz mit seiner Frau sprechen. Er wählte die Nummer ihres Festnetzanschlusses. Schon nach dem dritten Klingeln ging Heike an den Apparat.
»Guten Morgen, Liebling.«
»Falko! Wie schön! Du wirst lachen. Eben wollte ich auf deine SMS antworten und dich fragen, ob du schon wach bist. Wie geht es dir? Hat sich deine Reise zu den Kollegen nach Düsseldorf gelohnt?«
»Gelohnt wäre wahrscheinlich zu viel gesagt, doch wir machen Fortschritte. Wie geht es dir?«
»Alles in Ordnung. Gestern gab es einen Unfall, in den ein Schulbus verwickelt war. Zum Glück nichts wirklich Schlimmes. Doch du kannst dir vorstellen, was hier los war.«
»Allerdings. Und heute? Wann hast du Dienst?«
»Eigentlich erst ab Mittag, aber ich werde mich gleich schon auf den Weg machen. Wir hatten einige Ausfälle wegen Grippe in der letzten Zeit. Da kann es nicht schaden, wenn ich früher fahre. Wann kommst du zurück?«
»Ich hoffe morgen. Die Autopsieergebnisse werden heute reinkommen. Vielleicht wissen wir dann schon mehr.«
»Okay. Meldest du dich später noch mal?«
»Ich muss sehen, wie ich’s schaffe. Aber ich werde es auf jeden Fall versuchen.«
»Tu das! Dann hab einen guten Tag und schnapp den Verrückten!«
»Ich werd mich bemühen. Mach’s gut! Ich liebe dich!«
»Ich dich auch.« Sie legte auf.
Er drückte die rote Taste seines Handys, steckte es in die Tasche, nahm die Keycard seines Hotelzimmers und ging zum Frühstück.
Gegen Viertel nach acht traf er auf der Dienststelle ein. Oberkommissar Kunst war bereits in seinem Büro und orderte Kaffee, als er Falko kommen sah.
»Guten Morgen, Herr Kollege.«
Falko reichte ihm die Hand. Sein Kollege trug wie gestern eine beigefarbene Anzughose und hatte dazu ein weißes Hemd an, dessen oberster Knopf geöffnet war. »Immer der Letzte, der geht und der Erste der kommt, was? Hier scheint’s genau wie bei uns in Lüneburg zu sein.«
Kunst schmunzelte. »Erst recht, wenn es um einen Fall wie diesen geht.« Er schloss die Bürotür und deutete zum Besprechungstisch hinüber. »Das Autopsieergebnis liegt bereits vor. Sie hatten da einen verdammt feinen Riecher, Kollege Cornelsen.«
»Bitte, nennen Sie mich Falko.«
»Gern. Harald.«
Falko war gerade dabei, sich an den Tisch zu setzen, als die Tür aufging und ein junger Beamter ein Tablett mit Kaffee hereinbrachte.
»Danke«, sagte Falko und nahm sich bereits die oberste Akte, während der Beamte nur nickte und das Büro wieder verließ. Kunst schenkte zwei Tassen Kaffee ein und wartete, bis Falko die Akte gelesen hatte.
»Wie wir es uns schon dachten. Bei der Geburt ist etwas schiefgegangen, und die Frau ist dabei gestorben«, stellte Cornelsen fest und legte die Akte aufgeschlagen vor sich hin.
»Er hat sie also nicht getötet. Zumindest nicht aktiv«, pflichtete Harald Kunst bei.
»Das Kind kam schon tot zur Welt.« Falko lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Das hatte er nicht einkalkuliert. Deshalb wählte er wohl das Grab, das er schon kannte.«
»Mir ist noch etwas anderes aufgefallen«, sagte Kunst und reichte Falko die Akte Wending. »Die Todesursache bei Natascha Wending und bei Rebecca Ganter ist nur im ersten Moment scheinbar gleich.«
»Du meinst wegen der Finger? Oder weil bei der Ganter die Nase mit Ohropax verschlossen war, bei Frau Wending aber mit Tampons.«
»Auch. Aber da unterscheidet sich noch etwas. Lies mal hier unten.« Er deutete mit dem Finger auf die letzte Zeile im Autopsiebericht.
»Augenblick«, sagte Falko. »Natascha Wending wurde mehrfach der Mund zugeklebt und wieder geöffnet?«
Kunst, der die ganze Zeit gestanden hatte, setzte sich Falko gegenüber an den Tisch. »So sieht es zumindest aus. Und die weiteren Verletzungen am Oberkörper weisen darauf hin, dass sie mehrfach wiederbelebt wurde, nur um sie dann erneut zu quälen.«
»Das ist wirklich
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