Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
jedoch keinerlei verwertbare Spuren ergeben.
»Wo hat ihr Auto gestanden?«
Harald Kunst deutete mit dem ausgestreckten Arm. »Dort hinten, wo jetzt der rote Golf steht. Die zweite Parklücke rechts.«
»Sie hatte also ihr Auto noch erreicht und ihre Einkäufe verstaut«, stellte Cornelsen fest. »Was glaubst du, wie er sie in seine Gewalt gebracht hat?«
»Vielleicht hat er sie sich einfach gegriffen und in sein Auto gezerrt?«, mutmaßte Kunst.
»Glaub ich nicht. Eine im siebten Monat schwangere Frau kannst du dir nicht einfach so schnappen und wegzerren, ganz gleich, wie groß du vielleicht bist.«
»Also mit einem Trick?«
»Da bin ich sicher.«
Falko zeigte auf die von außen am Supermarkt angebrachten Videokameras. »Und die Auswertung hat auch nichts gebracht?«
»Nein, gar nichts. Darauf sind ausschließlich der Eingangsbereich und die Zufahrt des Parkplatzes zu sehen. Es gibt Bilder, die Kerstin Sommer zeigen, wie sie mit dem Einkaufswagen das Gebäude in Richtung ihres Autos verlässt. Und dann verschwindet sie aus dem Sichtfeld der Kamera. Das war die letzte Aufnahme, die es von ihr gibt.«
»Wurden die anderen Fahrzeuge, die zu der Zeit hier waren, überprüft?«
»Alle, die bis zu einer Stunde nach dem Verschwinden der Frau den Parkplatz verlassen haben. Es war nichts Auffälliges dabei. Ich hab die Liste im Präsidium, wenn du sie dir ansehen möchtest.«
»Mach ich noch, danke. Aber dort vorn«, er deutete auf zwei Nebenwege, die gänzlich außerhalb des Sichtbereiches der Kameras waren. »Wenn jemand unbemerkt das Gelände verlassen wollte, hätte er ebenso gut dort drüben entlangfahren können.«
»Hm«, machte Harald Kunst. »Hast du irgendeine Ahnung, wo wir anfangen können, nach ihm zu suchen?« Harald Kunst rieb sich die Augen.
»Wir sollten damit beginnen, nach wem wir suchen.« Cornelsen zog sich einen Block heraus und begann zu schreiben. Männlich, organisiert, gestörtes Verhältnis zur Mutter.
Kunst sah auf die wenigen Zeilen. »Das trifft auf die Hälfte meiner Nachbarn zu.«
»Es ist schwierig, weil ich nicht glaube, dass er seine Opfer nach einem bestimmten Typus aussucht. Ihm geht es nicht darum, ob eine Frau groß oder klein, alt oder jung ist. Es geht ihm darum, was eine Frau seiner Meinung nach symbolisiert. Er entführt und quält Männer wie Frauen und tötet sie. Wir müssen herausfinden, ob die Reihenfolge der Entführungen mit den Tötungszeitpunkten einhergeht.«
»Du meinst, ob er schon neue Opfer entführt, die alten aber noch nicht getötet hatte?«
»Ganz genau. Mir geht das Wiederbeleben der Gutachterinnen nicht aus dem Kopf. Ich glaube, er will den Opfern die Chance geben, ihr Leben zu retten.«
»Aber wie?«
»Es muss irgendetwas sein, was sie sagen oder tun.«
»Aber bisher hat er, so, wie es scheint, alle getötet, die er entführt hat.«
»Bis auf Sabine Nickel. Sie ist bei der Geburt gestorben. Und solange wir Kerstin Sommers Leiche nicht gefunden haben, will ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass sie noch am Leben ist.« Er sah Harald Kunst an. »Können wir kurz bei dem Ehemann vorbeifahren und mit ihm sprechen. Wo arbeitet er denn?«
Kunst zückte sein Handy, tippte eine Nummer ein. »Martin? Kannst du bitte Herrn Sommer, den Mann der verschwundenen Steuerfachgehilfin, anrufen und Bescheid geben, dass wir kurz bei ihm vorbeikommen?« Er hörte einen Moment die Antwort ab. »Ja, die Adresse hab ich noch im Kopf. Wir machen uns direkt auf den Weg. Wenn ich in den nächsten fünf Minuten nichts von dir höre, gehe ich davon aus, dass er Bescheid weiß. Bis dann.« Er drückte die rote Taste. »In Ordnung. Torsten Sommer arbeitet zu Hause, das dürfte kein Problem sein.«
Falko überlegte angestrengt und kniff dabei die Augen zusammen. Seit den Leichenfunden im Container hatte er Kopfschmerzen, die sich immer weiter verstärkten. »Hast du vielleicht ein Aspirin?«
»Leider nur im Büro.«
»Gut. Dann lass uns jetzt zu dem Mann der Vermissten fahren und dann zurück ins Präsidium. Mir zerspringt fast der Schädel.«
»Beinahe schon beruhigend, dass auch einen wie dich so ein Fund, wie der im Container, nicht kaltlässt.«
Sie gingen zum Fahrzeug. Etwas mehr als zehn Minuten später erreichten sie das Einfamilienhaus, in dem Kerstin Sommer bis zu ihrem Verschwinden gemeinsam mit ihrem Mann gelebt hatte. Als die Kommissare ausstiegen, trat Torsten Sommer bereits aus der Tür. Die Besorgnis war ihm deutlich anzusehen, als er den Polizisten
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