Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
ein paar Schritte entgegentrat.
»Guten Tag, Herr Sommer. Oberkommissar Kunst, wir haben uns ja schon kennengelernt. Das ist mein Kollege Kriminalhauptkommissar Cornelsen.«
Sie reichten sich die Hand.
»Gibt es etwas Neues von meiner Frau?« Er sah die beiden erwartungsvoll an. Dann zuckten seine Mundwinkel. »Haben Sie sie gefunden?« Seine Stimme brach.
»Nein, bisher leider nicht. Doch wir geben die Suche nicht auf«, erwiderte Kunst.
»Wir haben nur noch einige Fragen«, erklärte Falko.
»Bitte, kommen Sie doch herein«, bat Torsten Sommer und deutete mit dem Arm in Richtung Haus. Im Flur ging er an den Beamten vorbei. »Setzen wir uns doch in die Küche. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Gern ein Wasser, wenn es keine Umstände macht«, sagte Falko.
»Für mich auch.«
Falko sah sich um, während Torsten Sommer drei Gläser auf den Tisch stellte und Wasser eingoss.
Die Küche war modern eingerichtet und hatte ein großes Fenster mit Blick in den Garten. Darunter war über Eck eine lange, durchgehende Arbeitsplatte angebracht, an deren Ende sich der Herd befand. Direkt daneben war eine Glastür, die in den Garten führte.
Torsten Sommer folgte seinem Blick. »Die Küche ist Kerstins Lieblingsraum. Sie ist eine leidenschaftliche Köchin.«
»Wie würden Sie Ihre Frau noch beschreiben?«
»Sie ist der zuverlässigste, warmherzigste und großzügigste Mensch, den ich kenne.« Sommer lächelte schwach. »Sie hat sich so sehr auf das Kind gefreut. Ich natürlich auch«, fügte er rasch hinzu. »Doch Sie müssen wissen, Kerstin hat eigentlich nie eine richtige Familie gehabt. Ihr Vater war Alkoholiker, und die Ehe ihrer Eltern muss die Hölle gewesen sein. Gewalt war an der Tagesordnung. Sie hat keine schöne Kindheit gehabt. Umso mehr wollte sie alles für ihr eigenes Kind tun. Es besser machen, verstehen Sie?«
»Und Sie?«
»Ich?« Er schnaubte. »Ich war der glücklichste Mann auf Erden, seit ich sie traf. Sie war die Frau für mich. Liebevoll, einfühlsam, sie hat sich um mich gekümmert.«
»Was genau meinen Sie mit ›gekümmert‹?« Falko sah ihn fragend an.
»Wissen Sie, von mir aus hätte sie nicht jeden Tag frisch kochen müssen. Für mich hätte es auch eine Fertigpizza getan. Aber das hat Kerstin völlig abgelehnt. Es war, als wollte sie als Hausfrau und zukünftige Mutter alles genau richtig machen. Das Haus war immer picobello sauber, und das war allein Kerstins Werk. Und das, obwohl wir beide gearbeitet haben. Halten Sie mich jetzt um Himmels willen nicht für einen Macho. Sie hat das immer so gewollt. Sie hat es nicht zugelassen, dass ich irgendetwas sauber mache, koche oder Ähnliches tue. Ich glaube, sie wollte unbedingt perfekt sein und alles im Griff haben.«
»Perfekt sein, ja?«
»Würde ich sagen. Dabei ist sie das auch ohne die ganze Putzer- und Kocherei. Sie ist nicht nur meine Frau. Sie ist mein bester Freund.« Er musste ein Schluchzen unterdrücken. »Bitte, finden Sie sie!«
Falko war betroffen, wollte sich jedoch nicht von der Verzweiflung des Mannes mitreißen lassen.
»Sie sagten eben, dass Ihre Frau besonders zuverlässig sei. Wie äußerst sich das?«
»In allem. Das klingt für Sie jetzt wahrscheinlich langweilig, aber ich weiß immer, was sie vorhat und wo sie hingeht. Anders herum übrigens auch«, stellte er klar. »Sie würde nie zu spät kommen oder jemanden versetzen. Auf Kerstin ist hundertprozentig Verlass. Dreihundertprozentig, würde ich sagen.«
Es klang, als sei Torsten Sommer stolz auf diese Qualität seiner Frau. Unter keinen Umständen hätte Falko dem Ehemann gesagt, dass ihr wahrscheinlich genau diese Berechenbarkeit zum Verhängnis geworden war.
»Hat Ihre Frau vor ihrem Verschwinden geäußert, dass sie sich beobachtet fühlte?«
Sommer zog die Augenbrauen zusammen. »Glauben Sie, der Kerl hat sie ausgespäht?«
»Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Also?«
»Nein, ich denke nicht«, antwortete Sommer nachdenklich. »Obwohl …« Er brach ab.
»Ist Ihnen etwas eingefallen?«, hakte Harald Kunst nach, der bisher schweigend das Gespräch verfolgt hatte.
»Na ja, da war eine Sache, etwa eine Woche vor ihrem Verschwinden.« Torsten Sommer stand auf und ging zum Fenster hinüber. »Ich war im Wohnzimmer, und Kerstin stand genau hier. Sie rief nach mir.«
»Und weiter?«
»Sie meinte, dass sie so ein eigenartiges Gefühl hätte. Ganz so, als würde sie von jemandem beobachtet, während sie das Essen
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