Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
weißen Ganzkörperanzüge.
»Wir haben auf Sie gewartet«, sagte ein Mann, den Falko schon am Vortag bei den Leichenfunden im Park gesehen hatte.
»Eine Containertür war offen, als der Zeuge die Leichen fand. Wir haben sie geschlossen«, erläuterte er.
»Danke. Sind Kollegen von Ihnen dort drin?«
Der Angesprochene schüttelte den Kopf. »Dort drin hält man es vor Gestank kaum aus. Wir fangen erst richtig an, wenn Sie alles gesehen und sich einen Eindruck verschafft haben. Die Verwesung ist schon erheblich fortgeschritten.«
Ihnen wurden zwei Taschenlampen gereicht.
»In Ordnung«, sagte Falko, nickte Harald zu, und gemeinsam betraten sie den Container. Er achtete darauf, dass die Tür hinter ihnen geöffnet blieb, trotzdem war es im Innern dunkel, und ihre Augen brauchten einen Moment, um sich den geänderten Lichtverhältnissen anzupassen. Unzählige Fliegen schwirrten herum, und der intensive Verwesungsgeruch nahm ihnen für einen Moment den Atem. Sie schalteten die Lampen ein und folgten den Leuchtkegeln mit ihren Blicken. Zuerst konnten sie kaum etwas erkennen. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und die Umrisse, die sie im Lichterschein wahrnehmen konnten, wurden deutlicher. Abrupt drehte sich Harald um und öffnete die Tür ein Stück weiter.
»Kann ich beide aufmachen?«
»Ja«, antwortete Falko knapp und hielt seine Taschenlampe starr weiter geradeaus gerichtet. Hinter ihm hörte er das metallene Quietschen der schweren Türen, die nun vollständig geöffnet und gegen die äußere Wand des Containers geschlagen wurden. Der Lichteinfall im Innern vergrößerte sich.
Falko starrte auf die zwei Leichen, die im hinteren Bereich des Containers aufeinanderlagen. Die herumkrabbelnden Maden ließen den Eindruck entstehen, als zappelten die Körper unaufhörlich. Davor stand ein massiver, metallener Tisch, der ihn an einen Operationstisch erinnerte.
»Vorsicht«, sagte er und bedeutete Harald, nicht näher zu kommen, als dieser gerade wieder in den Container trat. Gerade noch rechtzeitig hatte Falko die Spuren am Boden entdeckt. Vorsichtig ging er in die Hocke und winkte Harald herbei.
»Siehst du das?«
»Da hat etwas gestanden«, erkannte Kunst. »Was sind das für Abdrücke?« Er sah auf die drei runden Stellen.
»Könnte von einem Stativ sein«, antwortete Falko. »Sagst du eurem Fotografen, dass er reinkommen und das als Erstes fotografieren soll, bevor versehentlich die Spuren verwischt werden?«
»Ich gebe ihm Bescheid.« Wieder verließ Harald Kunst den Container und kehrte nur einen Moment danach mit einem weiteren Mann zurück.
»Dort.« Er deutete mit dem Finger auf die Abdrücke am Boden. »Es ist schlecht zu erkennen.«
Es blitzte mehrere Male, und der Mann kontrollierte die digitalen Bilder auf seiner Kamera. »Hat gut funktioniert. Was jetzt?«
»Erst einmal nichts. Ich sage gleich wieder Bescheid«, entgegnete Kunst, und der Fotograf verließ den Container.
Falko war inzwischen zu dem Tisch hinübergegangen.
»Was denkst du, was hier geschehen ist?« Harald Kunst trat zu ihm heran.
»Ich habe da einen Verdacht. Allerdings könnte ich auch dadurch beeinflusst sein, was ich in Rebecca Ganters erstem Roman über die Morde an den Pflegern gelesen habe.«
Falko ging in die Hocke, besah sich die Fläche unterhalb des Tisches genauer. Selbst in dem schlechten Licht konnte er deutliche Kratzspuren auf dem metallenen Boden erkennen. Die angerostete Fläche wies hier deutliche Einkerbungen auf. Vorsichtig ließ er seinen Finger in die Kerben gleiten. Er versuchte, den Geruch um sich herum auszublenden, was ihm nur mäßig gelang. Der Verwesungszustand war schon so weit fortgeschritten, dass die unten liegende Leiche in einen breiigen, fast flüssigen Zustand übergegangen war.
Harald Kunst hustete laut und musste ein Würgen unterdrücken.
»Geh ruhig raus und atme einmal tief durch. Es hilft niemandem, wenn du dich hier drin übergibst.«
Der Oberkommissar antwortete nicht, sondern verließ wortlos den Container.
Falko stand wieder auf, ging rückwärts bis zur Tür zurück. Draußen hörte er die Beamten leise miteinander reden. Er versuchte, alles um sich herum auszublenden. Also schloss er seine Augen. Zweihundert, einatmen, einhundertneunundneunzig, ausatmen. Er zählte sich bis einhundertzweiundneunzig herunter, stellte sich das Summen der Fliegen wie aus einem Lautsprecher kommend vor. Er sah seine Hand, die sich langsam auf den Regler zubewegte und die
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