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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael M. Bonelli
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Kollegin wieder in das Verhalten ein, ohne dass die Oberärztin weiß, wie ihr geschieht. Anfühlen tut sich das als authentische Intuition, als Warnung aus dem Inneren, als echte Antipathie.
    Die Mutter des Helden in Fjodor Dostojewskis »Schuld und Sühne«, des Studenten Rodion Romanowitsch Raskolnikow, hat Erfahrungen mit diesen Kräften. Sie schreibt ihrem Sohn in einem Brief über seinen künftigen Schwager, den er in Kürze kennenlernen soll: »Freilich, er ist schon fünfundvierzig, aber eine ganz angenehme Erscheinung, und kann einer Frau noch durchaus gefallen, und überhaupt, er ist ein sehr gesetzter und wohlanständiger Mensch, nur ein wenig unwirsch und etwas stolz. Aber vielleicht scheint es nur so, auf den ersten, flüchtigen Blick, ich möchte dich im Voraus bitten, mein lieber Rodja, dass du, wenn du mit ihm in Petersburg zusammentriffst, nicht vorschnell und hitzig, wie es so deine Art ist, über ihn urteilst, falls dir an ihm auf dem ersten Blick etwas nicht gefallen sollte. … Und überhaupt soll man, um einen Menschen, wer es auch sei, kennenzulernen, sich Zeit lassen und behutsam vorgehen, um nicht einem Irrtum oder einem Vorurteil zu erliegen, die sich später nur allzu schwer korrigieren und beheben lassen.«
    Recht hat sie, die Frau Raskolnikowa! Antipathisches Verhalten ist kein Schicksal. Wir wissen schon aus der Forgiveness-Forschung (Kapitel 6), dass die intentionale Vergebung die emotionale Vergebung zur Folge hat. Zurück zum Fall Raskolnikow: Wir können uns zwar unsere Gefühle nicht immer aussuchen, wohl aber unsere Handlungen. Und die Handlungen prägen dann mit der Zeit auch die Emotionen. Es ist also keine Zumutung und auch nicht unauthentisch, wenn man den zukünftigen Schwager nicht gleich spüren lässt, dass man ihn nicht leiden kann. Machen wir uns also bewusst, dass unsere Bauchgefühle keine rationale Bewertung der anderen Person sind und auch keinen Anspruch auf absolute Wahrheit erheben können. Das biologische Gefühl der Sympathie oder Antipathie ist ein erstes Signal des Bauchs: »Pass auf!«, oder: »Der Typ ist okay.« Prüfen muss eine andere Instanz: Geben wir dem herzgestützten Kopf Zeit, sich ein vorurteilsfreies Urteil zu bilden, der Bauch wird sich dem mit der Zeit anschließen!
    Der überschätzte Bauch
    Als Psychotherapeut beobachtet man häufig, dass das Herz mit dem Bauch verwechselt wird. »Liebe« mit »Verliebtsein«. Das beschriebene Phänomen ist im Alter von 14 Jahren zwar besonders ausgeprägt, aber beschränkt sich nicht auf diese Altersstufe. Als älterer Bruder von vier Schwestern kann ich hier meine ersten wissenschaftlichen Beobachtungen heranziehen, denn meine Schwestern waren nachweislich alle einmal 14, manche sogar mehrere Jahre lang. Jeder neue Schwarm schien da der Mann fürs Leben, jede Gefühlsschwankung war das Ende der Welt oder der Himmel auf Erden.
    Dem Bauch wird oft eine Orakelfunktion zugeschrieben, indem man ihn Herz nennt. Dann gibt man sich gerne dem Selbstbetrug hin, dass man aus hochherzigen Motiven handle, wie unser unglücklicher Leutnant Anton Hofmiller. Aber das ist falsch. Die Emotion ist kein Wahrheitsdetektor. Das ist ein zentraler Punkt in der Psychotherapie: Der Kopf muss die Wahrheit im Blick haben, nicht der Bauch. Wenn man etwas fühlt, dann muss man nicht unbedingt sofort darauf hören, wie eine platte, mittelmäßige und kurzsichtige Wirtshauspsychologie manchmal vermittelt.
    Eine emotional gesteuerte Selbstverwirklichung, die blind jedem Gefühl nachläuft, ist der sichere Weg in den Untergang. Gefühle kommen und gehen, wechseln täglich und sind keine sichere Grundlage für längerfristige Entscheidungen. Natürlich kann man aus dem Bauch heraus entscheiden, ob man lieber Erdbeer- oder Vanilleeis schlecken soll. (Ich empfehle übrigens Erdbeereis.) Bei langfristigen Entscheidungen aber – Wahl des Ehepartners etwa – ist der Bauch zu wenig. Auch moralische Entscheidungen sind aus dem Bauch heraus nicht sinnvoll – der Bauch kennt bekanntlich keine Moral, wie Freud sehr richtig erkannt hat. Muss er auch nicht, das steht nicht in seinem Jobprofil. Deshalb sollte der Kopf die Vernunftgründe abwägen und schlussendlich muss das Herz eine Entscheidung treffen. Ähnlich übrigens das bekannte Zitat von Bert Brecht: »Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral«, mit dem er aber auf etwas anderes hinauswollte.
    Es ist gut, Gefühle zu haben, wie Daniel Goleman in seinem Buch »Emotionale Intelligenz« so

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