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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael M. Bonelli
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richtig hinweist, wenn auch starke Gefühlsbetontheit nicht immer ein Zeichen von Lebensqualität ist. Persönlichkeitsstörungen mit den übermäßig starken Emotionen und großen Gefühlsschwankungen sind die Borderline-Störung und die histrionische – früher sagte man hysterische – Psychopathie. Diese Personen sind suggestibel, das heißt leicht manipulierbar. Gefühle sind hilfreich für das menschliche Zusammenleben, aber es ist ausgesprochen unpraktisch, von ihnen beherrscht zu werden. Es geht nicht darum, sie zu »unterdrücken« (viele Patienten haben panische Angst davor, irgendwelche Gefühle zu »unterdrücken« …), wohl aber darum, sie richtig zu bewerten und einzuordnen, mit ihnen richtig umzugehen, sie zu kultivieren. Affektive Reife bedeutet, den Bauch mit dem Kopf bewerten zu können. Und die Entscheidungshoheit des Herzens nicht aus der Hand zu geben. Man sieht das am Beispiel der Angstgefühle, denn Angst ist ein unerwünschtes Bauchgefühl. Solche Gefühle immer absolut ernst zu nehmen würde sie nur steigern. Wir müssen lernen, mit unseren Gefühlen umzugehen, sie, wenn es nötig ist, zu relativieren, sie vielleicht auch mit Humor zu entschärfen. Das Angstgefühl ist ein schlechter Ratgeber, denn es macht unfrei.
    Die Psychotherapie lehrt die Menschen, ihr Angstgefühl – zum Beispiel die Höhenangst – richtig zu bewerten, weil die eigene Wahrnehmung durch ebendieses Gefühl getrübt ist. Dadurch wird der Mensch freier. Das gilt für alle Gefühle: Sie sind subjektiv und brauchen eine vernünftige Bewertung – durch den Kopf. Triebaufschub und Triebverzicht sind laut Sigmund Freud die Wurzeln jeder Kultur. Ja, mehr noch, die beiden machen die Liebe erst möglich. Weil das Zurückdrängen des Bauches das Herz freilegt und stärkt. Kornhuber und Deeke legen dazu klar: »Durch seinen Einfluss auf das limbische System, den Hypothalamus und die basalen Kerne ist das Frontalhirn in der Lage, Prioritäten unter den Trieben zu setzen, Emotionen zu mäßigen oder aber ihre Anregungen mit Umsicht zu vertiefen. Wenn man zum Beispiel freiwilligen Versuchspersonen erotische Filme zeigt und sie bittet, die dadurch hervorgerufenen Gefühlsregungen zu mäßigen, zeigt sich Aktivierung bestimmter Teile des frontalen Kortex, die ohne diese Kontrollabsicht inaktiv bleiben (Beauregard 2001). «
    Jeder Bauch hat eine spezielle Neigung in irgendeine selbstschädigende Richtung – zu Neid, Zorn, Trägheit, Wollust, Hochmut, Völlerei oder Habsucht, frei nach Heiko Ernst. Es ist nicht die Aufgabe des Bauches, sich selbst einzuschränken oder zurückzuhalten, sondern der übergeordneten Instanz: des Herzens.
    Gefährlich wird es also, wenn wir den Bauch zum Lotsen unserer Handlungen machen. Der Kopf muss den ersten Eindruck des Bauches überprüfen. Das Herz schließlich entscheidet über die Art, wie die Person dann wirklich von uns behandelt wird. Im optimalen Fall gestaltet das Herz die Beziehungen, nicht der Bauch und nicht der Kopf. Nach Künkel schränkt die Ichhaftigkeit die Beziehungsfähigkeit ein: »Das wichtigste Symptom der Ichhaftigkeit ist Mangel an Verbindung von Herz zu Herz« (siehe Kapitel 2). Ichhaftigkeit lähmt das Herz und bläht den Bauch auf – oder in manchen Fällen den Kopf.
FALL 35: Die unverheiratete Frau Evelyne O., 32 Jahre alt, wiegt bei Therapiebeginn 99 Kilo. Gekommen ist sie ursprünglich wegen etwas ganz anderem, aber nach Erledigung des ersten Auftrags formuliert sie ein neues Ziel: Bikinifigur und einen Ehemann – wobei sie ersteres nicht näher definiert. Die ersten Kilos purzeln schnell, aber bei 89 Kilo ist Schluss. Das ist jetzt verständlicherweise noch nicht die Bikinifigur, die ihr vorschwebt. Und es ist dem zweiten Ziel weiter hinderlich. Das Problemverhalten ist schnell gefunden: die antidepressive Tafel Schokolade am Abend. Jetzt beißt der Psychiater aber auf Granit. »Das brauche ich für mein Wohlbefinden, das macht die Einsamkeit erträglich.«

ANALYSE: Dieser alltägliche Fall ist hilfreich, um das Kopf-Herz-Bauch-Modell zu veranschaulichen. Dem Kopf ist schnell klar, wohin der Weg führt. Der Bauch will auf keinen Fall verzichten, aber gleichzeitig will der Bauch auch eine Bikinifigur und einen Mann. Das schwache Herz hat sehr viel Verständnis für den Bauch, besonders für die kurzfristig zu erzielende Befriedigung (Schokolade). Der Bauch ist ein schlechter Berater, weil er die Kurzfristigkeit vor die Langfristigkeit stellt. Und er will

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