Selbs Betrug
Datenschutzgründen vernichten sollten und nicht im Computer nachweisen können. Ich will mich beeilen, aber ganz schnell wird es nicht gehen. Wann brauchen Sie’s?«
Ich sagte »gestern« und meinte es auch. Was ich zu tun hatte, war allerdings auch ohne Akte Wendt klar. Wendt war meine Spur, egal ob heiß, warm oder auch kalt. Ich mußte rauskriegen, was für einer er war, mit wem er verkehrte, ob er mit Leo Kontakt hatte. Leo und ihr soziales Umfeld durften von meiner Suche nichts merken. Bei Wendt mußte ich nicht so zimperlich sein.
12
Vergebens
Als Wendt am Abend gegen sieben Uhr aus dem Psychiatrischen Landeskrankenhaus kam, sich in den Wagen setzte und Richtung Heidelberg fuhr, folgte ich ihm. Ich hatte seit zwei Stunden gewartet und die Zigarettenstummel aus dem Fenster geworfen, weil sie nicht mehr in den Aschenbecher paßten. Die Sweet Afton ist eine filterlose Zigarette, die rückstandslos und umweltfreundlich ausbrennt.
Die B 3 fährt sich gut, und mit seinem kleinen Renault legte Wendt ein flottes Tempo vor. Ich verlor ihn manchmal aus dem Auge, holte ihn immer wieder an roten Ampeln ein, folgte ihm in die Rohrbacher Straße, bog hinter ihm in den Gaisbergtunnel, ums Karlstor und in die Hauptstraße. Der Kadett holperte über das Kopfsteinpflaster. Wir parkten unter dem Karlsplatz. Wendts Parkplatz war für Behinderte reserviert, meiner für Frauen. Wendt hastete aus dem Auto, stürzte die Treppe hoch, rannte über den Platz, die Hauptstraße entlang, an Kornmarkt und Heilig-Geist-Kirche vorbei. Ich schaffte es nicht, hinter ihm herzurennen. Seine Gestalt im wehenden hellbeigen Regenmantel wurde kleiner. Ich blieb an der Rathausecke stehen, preßte die Hand gegen die Seite und versuchte, das stechende Pochen zu beruhigen.
Hinter der Florin-Gasse, unter einem Schild mit einer goldenen Sonne, eilte er in einen Hauseingang. Ich wartete, bis das Pochen schwächer wurde. Marktplatz und Hauptstraße lagen ruhig; zum Einkaufen war es zu spät und zum Flanieren zu früh. An den Häusern um den Marktplatz hat steuerbegünstigter denkmalschützender Sanierungseifer seine Spuren hinterlassen. Mir fiel auf, daß in der Nische an der Ecke des Rathauses der in Stein gehauene Kriegsgefangene fehlte, der hier jahrzehntelang in langem Mantel, mit eingefallenem Gesicht und ausgemergelten Händen gewartet hatte. Wer mochte ihn heimgeholt haben und wohin?
Unter dem Schild mit der goldenen Sonne war das Ristorante Sole d’Oro. Ich warf einen Blick hinein; Wendt und eine junge Frau bekamen gerade die Speisekarten gereicht. Gegenüber, im Café Bistro Villa fand ich einen Tisch am Fenster und hatte den Eingang im Visier. Lange nach der Cassata, beim zweiten Espresso und zweiten Sambuca traten Wendt und seine Begleiterin auf die Straße. Sie schlenderten ein paar Häuser weiter zum Kino Gloria. Ich sah den Film drei Reihen hinter ihnen. Ich erinnere mich an die Verzweiflung einer Frau, die schizophren wird, und den Anblick alter, herrschaftlicher Fassaden, eines festlich gedeckten Tisches auf einer Terrasse über dem Meer und der Sonne, die groß und rot am dunstigen Abendhimmel hängt. Als ich aus dem Kino kam, war ich benommen von den Bildern und paßte nicht auf. Die beiden waren weg. Durch die Hauptstraße schob sich ein dichter Strom von Studenten, manche mit bunten Mützen und Bändern, von Amerikanern, Holländern und Japanern, von lauten jungen Leuten aus dem Umland.
Lange wartete ich beim Parkhaus auf Wendt. Als er kam, war er allein. Er fuhr ruhig, Friedrich-Ebert-Anlage, Kurfürstenanlage, am Neckar entlang bis Wieblingen. Er parkte am Ende der Schustergasse. Ich konnte die Hausnummer nicht erkennen, aber sah ihn das Gartentor auf- und zuschließen, um das Haus herum- und eine Treppe hinuntergehen. Dann wurden die Fenster der Souterrainwohnung hell.
Ich fuhr über die Dörfer nach Hause. Der Vollmond warf sein weißes Licht auf Felder und Dächer. Zu Hause ließ er mich lange nicht einschlafen. Dann träumte ich von ihm; er schien auf eine Terrasse mit festlich gedecktem Tisch, und ich wartete vergebens auf Gäste, die ich nicht eingeladen hatte.
13
Ja und nein
Ein Vorteil des Alters ist, daß einem alle alles glauben. Wir sind nur zu müde, unsere Chancen als Hochstapler und Heiratsschwindler zu nutzen. Was sollten wir auch mit dem Geld?
Als ich mich als Wendts Vater vorstellte, zweifelte die Vermieterin keinen Moment.
»Ah, Sie sind der Herr Vater vom Herrn Doktor!«
Frau Kleinschmidt musterte mich
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