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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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wird’s Ihnen ganz anders.«
    »Waren die Polizeiwagen noch am Tor?«
    »Nein. Aber ein amerikanischer Feuerwehrwagen kam aus dem Tor und fuhr weg.«
    Das ließ Peschkalek wieder aufmerken. »Wohin fuhr der? Und warum steht das nicht in Ihrem Artikel?«
    »Ich wollte meine Enthüllung Stück um Stück bringen. Aber dann fand der Redakteur den Feuerwehrwagen als Fortsetzung nicht aufregend genug. Er fuhr die Nibelungenstraße und die Entlastungsstraße, ich denke, zu den amerikanischen Kasernen.«
    Wir bedankten uns. Als wir aus Walters’ Zelle kamen, war Peschkalek euphorisch und zappelig. »Hab ich’s Ihnen nicht gesagt? Ist sogar besser, als ich Ihnen gesagt habe. Der Anschlag zielte nicht einfach auf eine amerikanische Militäreinrichtung, sondern ausgerechnet auf ein amerikanisches Giftgaslager. Sie können Gift darauf nehmen, daß die Amerikaner so was nicht wegstecken. Ob Wendt den Anschlag inszeniert hat? Ob er dafür mit seinem Leben bezahlt hat? Oder haben die Amerikaner ihn gekauft? Hat er die Seite gewechselt, und hat die Salger ihn gerichtet? Sie werden sehen, der Wendt ist nicht nur mal gerade so ermordet worden.«

6
Eine Sommeridylle
    Niemand wird nur mal gerade so ermordet. Die Landkarte, die Wendt in seiner Aktentasche gehabt hatte, zeigte das Viernheimer Dreieck. Ich erkannte die Autobahn Frankfurt-Mannheim und, lotrecht auf ihr stehend, die Autobahn nach Kaiserslautern auf der großen Karte im Flur der Redaktion wieder.
    Auch Peschkalek blieb stehen. »Wie geht’s weiter, Herr Selb? Schauen wir uns die Sache mal an?«
    Wir fuhren auf dem Lorscher Weg durch den Wald. Links begleiteten ein hoher Zaun und dahinter ein asphaltierter Weg die Straße. Schilder warnten auf deutsch und amerikanisch vor Sprengstoff, Militär- und Sicherheitsstreifen, Wachhunden und Schußwaffengebrauch. Der Eingang, den wir nach einem halben Kilometer passierten, war mit eisernen Schleusentoren, Warnleuchten in Orange und Blau und mit Schildern gesichert, die zu allen anderen Warnungen noch die vor dem Rauchen hinzufügten. Dann bog der Zaun nach links, und die Straße ging weiter geradeaus, und auf der nächsten Straße nach links kamen wir in einem großen Bogen, der uns über die Autobahn und unter ihr hindurch, aber nicht mehr an den Zaun führte, wieder nach Viernheim.
    »Sie sollten mal mit den Leuten hier reden.« Peschkalek hatte auf der Erkundungsfahrt nicht viel gesagt, wurde aber gesprächig, als wir Viernheim erreicht hatten. »Giftgas – Sie haben es gehört, und man möchte meinen, daß das die Leute beschäftigt. Tut’s aber nicht. Ich staune, daß unser junger rasender Reporter«, er zeigte mit dem Finger in die Richtung, in der er das ›Viernheimer Tageblatt‹ vermutete, »seine kleine Meldung überhaupt untergebracht hat. Das mag hier niemand lesen.« Er nahm die Straße nach Heddesheim, bog aber bald nach rechts. »Nur noch einen kleinen Umweg, Herr Selb.«
    Unter blauem Himmel fuhren wir an langen Reihen von Obstbäumen vorbei und durch gelbe Rapsfelder. In der Ferne erhoben sich die Berge und leuchteten die Steinbrüche. Als vor uns eine kleine Kirche mit Dachreiter und ein Wasserturm auftauchten, umgeben von wenigen Höfen und Häusern und alten Weiden, war’s das Bild einer Sommeridylle.
    »Ihr erster Besuch in Straßenheim?« Ich nickte. Peschkalek fuhr langsam. »Was Sie hier sollen, fragen Sie sich? Warum ich Sie hierher bringe? Sehen Sie genau hin.« Mir stach das herrschaftliche Haus neben der Kirche ins Auge. Es beherbergte, wie ein Schild auswies, die Reiter- und Diensthundestaffel des Polizeipräsidiums Mannheim. »Genau sollen Sie hinsehen. Da, der eine links und rechts die beiden – wissen Sie, was das ist? Tankwagen sind das, viele tausend Liter Wasser in jedem, Wasser zum Trinken und Kochen und fürs Vieh. Und was die hier machen? Nun«, er freute sich auf seine Pointe, »vermutlich ist das andere Wasser nicht trinkbar, oder? Vermutlich ist Straßenheim, obwohl es zu Mannheim gehört, nicht an die Mannheimer Wasserversorgung angeschlossen und auch nicht an die Viernheimer oder Heddesheimer, sondern hat seinen eigenen Brunnen, und aus dem kommt – nichts mehr, meinen Sie? Sie meinen, der ist ausgetrocknet? Nach all dem Regen der letzten Wochen? Nein, aus dem kommt Wasser, und das Wasser sieht sogar ganz klar aus, vielleicht riecht es ein bißchen, vielleicht aber auch nicht, vielleicht schmeckt es seltsam, aber auch das muß nicht sein. Und man muß auch nicht tot umfallen, wenn

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