Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
Vom Netzwerk:
davon ist es für den Studienplan unumgänglich, einen Selbständigen aus der Sicherheitsbranche dabeizuhaben.«
    »Was ist als Lehrgegenstand vorgesehen?«
    »Von der Praxis bis zur Ethik des detektivischen Berufs. Mit Übungen und Abschlußklausur, wenn Ihnen das nicht zu viel Mühe macht. Das Ganze soll im Wintersemester beginnen.«
    »Ich sehe da ein Problem, Herr Thomas. So, wie es Ihnen vorschwebt und es mir auch allein sinnvoll erscheint, kann ich die jungen Kommilitonen nur dann ausbilden, wenn ich meine Erfahrung hart am Fall einbringe. Aber denken Sie nur an den Fall hier im Werk, von dem wir gerade gesprochen haben. Auch wenn ich keine Namen nenne und mich um eine gewisse Verschleierung bemühe, weiß doch jeder sofort, wo dem Mostl der Bart wächst.«
    Thomas verstand nicht. »Meinen Sie Direktor Moster von der Exportkoordination? Der hat aber doch keinen Bart. Und überhaupt …«
    »Sie haben noch Ärger mit meinem Fall gehabt, hat Firner gesagt.«
    »Ja, das war noch einigermaßen lästig mit Mischkey.«
    »Hätte ich ihn härter anpacken sollen?«
    »Er war ziemlich renitent, als Sie ihn uns überlassen haben.«
    »Nach allem, was ich von Firner gehört habe, wurde er im Werk ja auch wie ein rohes Ei behandelt. Keine Rede von Polizei und Gericht und Gefängnis, das lädt zur Renitenz ein.«
    »Aber Herr Selb, das haben wir dem doch nicht auf die Nase gebunden. Das Problem lag ganz woanders. Er hat uns geradewegs zu erpressen versucht. Wir haben nie rausgefunden, ob er wirklich was in der Hand hatte, aber er hat einen ganz schönen Wirbel gemacht.«
    »Mit den alten Geschichten?«
    »Ja, mit den alten Geschichten. Mit der Drohung, zur Presse zu gehen, zur Konkurrenz, zur Gewerkschaft, zur Gewerbeaufsicht, zum Bundeskartellamt. Wissen Sie, es ist ja hart, so was zu sagen, dieses Ende Mischkeys tut mir auch leid, zugleich bin ich froh, das Problem vom Hals zu haben.«
    Danckelmann trat ein, ohne zu klopfen. »Ah, Herr Selb. Habe heute schon von Ihnen gesprochen. Was machen Sie denn noch rum mit diesem Mischkey? Ihr Fall ist doch längst abgeschlossen. Machen Sie mir mal die Pferde nicht scheu.«
    Wie im Gespräch mit Thomas bewegte ich mich auch mit Danckelmann auf dünnem Eis. Zu direkte Fragen konnten es brechen lassen. Aber wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um. »Hat Gremlich Sie angerufen?«
    Danckelmann ging nicht auf meine Frage ein. »Ernsthaft, Herr Selb, lassen Sie die Finger von dieser Geschichte. Wir schätzen das nicht.«
    »Für mich sind meine Fälle immer erst dann abgeschlossen, wenn ich alles weiß. Wußten Sie zum Beispiel, daß Mischkey noch mal in Ihrem System spazierengegangen ist?«
    Thomas hörte aufmerksam zu und sah mich befremdet an. Sein Lehrauftragsangebot tat ihm schon leid. Danckelmann beherrschte sich und bekam eine gepreßte Stimme. »Seltsame Vorstellungen haben Sie von einem Auftrag. Er ist dann fertig, wenn der Auftraggeber ihn nicht weiter bearbeitet haben möchte. Und Herr Mischkey spaziert nirgendwo mehr. Also, ich muß Sie schon bitten.«
    Ich hatte mehr gehört, als ich mir hatte träumen lassen, und kein Interesse an einer weiteren Eskalation. Noch ein falsches Wort, und Danckelmann würde sich an meinen Sonderausweis erinnern. »Sie haben ja völlig recht, Herr Danckelmann. Andererseits geht es Ihnen doch sicher auch so, daß das Engagement in Sachen Sicherheit nicht immer an den engen Grenzen eines Auftrags haltmachen kann. Und seien Sie unbesorgt, als Selbständiger kann ich mir zuviel Einsatz ohne Auftrag nicht leisten.«
    Danckelmann verließ das Zimmer nur halb versöhnt.
    Thomas wartete ungeduldig darauf, daß ich ging. Aber ich hatte noch ein Bonbon für ihn. »Um noch mal darauf zurückzukommen, Herr Thomas, den Lehrauftrag nehme ich gerne an. Ich werde ein Curriculum entwerfen.«
    »Ich danke Ihnen für Ihr Interesse, Herr Selb. Wir sind ja nicht aus der Welt.«
    Ich verließ das Werkschutzgelände und fand mich wieder in dem Hof mit Aristoteles, Schwarz, Mendelejew und Kekulé. Auf die Nordseite des Hofs schien eine müde Herbstsonne. Ich setzte mich auf die oberste Stufe einer kleinen Treppe, die zu einer zugemauerten Tür führte. Zu überlegen hatte ich reichlich.

16
Papas Herzenswunsch
    Immer mehr Puzzle-Steine fügten sich zusammen. Doch sie fügten sich nicht zu einem plausiblen Bild.
    Ich verstand jetzt, was Mischkeys Ordner war: die Sammlung dessen, was er gegen die RCW aufzubieten hatte. Eine klägliche Sammlung. Er mußte hoch

Weitere Kostenlose Bücher