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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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schon, gell, Fred?« Fred wischte sich das Blut von den Lippen. Er nickte und sah sich suchend nach Judith um.

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    Die Wirtin hatte sich mit schnellem Blick durch ihre Kneipe überzeugt, daß wieder Ruhe und Ordnung eingekehrt waren. »Na, dann geb ich euch doch einfach ein Schnapserl aus«, sagte sie beschwichtigend. Sie hatte ih-re Kneipe im Griff.
    Während sie sich hinter dem Tresen zu schaffen machte und Fred sich auf die Toilette verdrückte, kam Judith zu mir. Sie sah mich besorgt an. »Er war dabei am Ehrenfriedhof. Ist alles in Ordnung?« Sie sprach leise.
    »Er hat mir zwar die Rippen gebrochen, aber wenn Sie künftig einfach Gerd zu mir sagen, komm ich drü-
    ber weg«, antwortete ich. »Ich würde dann auch einfach Judith zu dir sagen.«
    Sie lächelte. »Ich finde, du nützt die Situation aus, aber ich will mal nicht so sein. Ich hab mir dich grad im Trenchcoat vorgestellt.«
    »Und?«
    »Du brauchst keinen«, sagte sie.
    Fred kam von der Toilette zurück. Er hatte dort vor dem Spiegel seinem Gesicht einen zerknirschten Ausdruck gegeben und entschuldigte sich sogar.
    »Für dein Alter bist net schlecht beinand. Tut mir leid, daß ich ausfällig geworden bin. Weißt, im Grunde ist’s net einfach, so ohne Familie alt zu werden, und an meinem Geburtstag wird mir das immer ganz arg be-wußt.«
    Unter Freds Freundlichkeit glimmten Tücke und
    hintersinniger Charme des Wiener Zuhälters.
    »Manchmal geht mir einfach der Gaul durch, Fred.
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    Das mit dem Pils war nicht nötig gewesen. Ich kann’s nicht mehr zurücknehmen«, er hatte noch ganz feuchte, verklebte Haare, »aber sei mir halt nicht mehr böse.
    Nur wenn’s um die Frauen geht, werd ich gemein.«
    »Was wollen wir jetzt machen?« fragte Judith mit un-schuldigem Augenaufschlag.
    »Erst bringen wir Fred, dann bring ich dich nach Hause«, bestimmte ich.
    Die Wirtin sprang mir bei. »Gell, Fredl, daß dich nach Haus bringen laßt. Dein Auto kannst morgen früh holen. Nimmst a Taxi.«
    Wir packten Fred in mein Auto. Judith folgte uns.
    Fred gab an, im Jungbusch zu wohnen, »in der Werft-straße, gleich beim alten Polizeirevier, weißt«, und wollte dort an der Ecke abgesetzt werden. Mir war egal, wo er nicht wohnte. Wir fuhren über die Brücke. »Bei deiner großen Gschicht, ist da was drin für mich? Hab auch schon Sicherheitssachen gemacht, sogar für ein großes Werk hier«, sagte er.
    »Können wir noch mal drüber reden. Wenn was mit dir los ist, nehm ich dich schon gern. Ruf mich doch an.« Ich fummelte eine Visitenkarte aus meiner Jacken-tasche, eine richtige, und gab sie ihm. An der Ecke setzte ich ihn ab, und er steuerte schwankenden Schritts auf die nächste Kneipe zu. Judiths Auto hatte ich noch im Rückspiegel.
    Ich fuhr über den Ring und bog um den Wasserturm in die Augusta-Anlage. Ich hatte darauf gewartet, hinter dem Nationaltheater ihre abschiednehmende Lichthupe und dann nichts von ihr zu sehen. Sie folgte mir in die 172
    Richard-Wagner-Straße vor die Haustür und wartete mit laufendem Motor, als ich einparkte.
    Ich stieg aus, schloß ab und ging zu ihr rüber. Es waren nur sieben Schritte, und in sie legte ich alles, was ich in meinem zweiten Frühling an überlegener Männlich-keit kultiviert hatte. Ich beugte mich in ihr Fenster, keine rheumatischen Kosten scheuend, und wies mit der Linken auf den nächsten freien Parkplatz.
    »Du kommst doch noch auf einen Tee mit hoch?«
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    Danke für den Tee
    Während ich den Tee machte, ging Judith in der Küche auf und ab und rauchte. Sie war noch ganz aufgeregt.
    »So ein Würstchen«, sagte sie, »so ein Würstchen. Und was hat er mir für angst gemacht, damals auf dem Ehrenfriedhof.«
    »Damals war er nicht allein. Und weißt du, wenn ich ihn hätte in Fahrt kommen lassen, hätte ich auch mehr Angst gehabt. Der hat in seinem Leben schon einige zusammengeschlagen.« Wir nahmen den Tee mit ins
    Wohnzimmer. Ich dachte an das Frühstück mit Brigitte und war froh, das Geschirr jetzt nicht in meiner Küche stehen zu haben.
    »Ich weiß noch immer nicht, ob ich deinen Fall übernehmen kann. Aber überleg noch mal, ob ich ihn wirklich übernehmen soll. Ich habe schon mal in Sachen Peter Mischkey ermittelt, gegen ihn. Ich habe ihn überführt, ins rcw-Informationssystem gewisserma-
    ßen eingebrochen zu sein.« Ich erzählte ihr alles. Sie unterbrach mich nicht. Ihr Blick war voll Leid und Vorwurf. »Ich kann den Vorwurf in deinem Blick nicht annehmen. Ich habe meine Arbeit getan, und

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