Selbs Justiz
rief ich flüsternd zurück. Dann war das Boot neben mir, Philipp zog mich hoch. In dem Moment sahen uns Energie und Ausdauer. Ich weiß nicht, was sie unternehmen wollten. Uns unter Beschuß nehmen?
Philipp startete den Motor und drehte mit sprühender Bugwelle zur Rheinmitte. Erschöpft und zitternd vor Kälte saß ich auf Deck. Ich zog den blutbefleckten Lappen aus der Tasche. »Kannst du mir noch einen Gefallen tun und untersuchen, was das für Blut ist? Ich glaub’s zwar zu wissen, Blutgruppe Null, Rhesusfaktor negativ, aber sicher ist sicher.«
Philipp grinste. »Wegen dieses feuchten Lappens die 225
ganze Aufregung? Aber eins nach dem andern. Du gehst jetzt erst mal unter Deck, nimmst eine heiße Dusche und ziehst meinen Bademantel an. Sobald wir an der Wasserschutzpolizei unbehelligt vorbei sind, mach ich dir einen Grog.«
Als ich wieder unter der Dusche hervorkam, waren wir in Sicherheit. Weder die rcw noch die Polizei hatten uns ein Kanonenboot nachgeschickt, und Philipp war gerade dabei, das Boot bei Sandhofen wieder in den Altrhein-Arm zu manövrieren. Obwohl mich die Dusche aufgewärmt hatte, zitterte ich noch immer. Das war ein bißchen viel gewesen für mein Alter. Philipp hatte am alten Liegeplatz angelegt und kam in die Kabine. »Mein lieber Schwan«, sagte er. »Du hast mir einen schönen Schreck eingejagt. Als ich die Typen gegen das Blech trommeln hörte, dachte ich schon, daß was schiefgegangen ist. Ich wußte nur nicht, was ich machen soll. Dann hab ich dich springen sehen. Alle Achtung.«
»Ach weißt du, wenn erst mal ein scharf dressierter Hund hinter dir her ist, überlegst du nicht mehr lange, ob das Wasser vielleicht zu kalt ist. Viel wichtiger war, daß du genau zum richtigen Zeitpunkt das Richtige gemacht hast. Ohne dich wär ich wahrscheinlich abge-soffen, fragt sich nur, ob mit oder ohne Kugel im Kopf.
Du hast mir das Leben gerettet. Bin ich froh, daß du nicht nur ein blöder Schürzenjäger bist.«
Philipp klapperte verlegen in der Kombüse herum.
»Vielleicht erzählst du mir jetzt, was du bei den rcw verloren hattest.«
»Verloren nichts, aber gefunden einiges. Außer die-226
sem ekelhaften nassen Lappen hab ich die Mordwaffe gefunden, wahrscheinlich auch den Mörder. Deswegen der nasse Lappen.« Über dem dampfenden Grog er-zählte ich Philipp von dem Wellblech-Lieferwagen und seiner überraschenden Sonderausstattung.
»Aber wenn das so einfach war, deinen Mischkey von der Brücke zu jagen, warum dann die Verletzungen des Werkschutzveteranen?« fragte Philipp, als ich mit meinem Bericht fertig war.
»Du hättest Privatdetektiv werden sollen. Du be-greifst schnell. Ich weiß noch keine Antwort, es sei denn …« Mir fiel ein, was die Wirtin von der Bahnhofgaststätte erzählt hatte. »Die Frau am alten Bahnhof hat zwei Schläge gehört, kurz hintereinander. Jetzt wird mir das klar. Mischkeys Wagen war auf der Brücke im Ge-länder hängengeblieben, da hat Schmalz senior ihn mit einer großen Anstrengung aus dem prekären Gleichgewicht gebracht und sich dabei seine Verletzung zugezo-gen. An der Anstrengung ist er dann schließlich zwei Wochen später gestorben. Ja, so muß es gewesen sein.«
»Zusammenpassen würde das alles schon, auch vom ärztlichen Standpunkt. Ein Schlag beim Durchbrechen des Geländers, einer beim Aufprall auf den Bahndamm.
Wenn sich alte Leute zuviel zumuten, kann es passieren, daß sie einen kleinen Gehirnschlag kriegen. Der bleibt unbemerkt, bis dann das Herz nicht mehr mitmacht.«
Ich war mit einem Mal sehr müde. »Trotzdem ist mir vieles noch nicht klar. Der alte Schmalz ist ja nicht von selber draufgekommen, Mischkey umzubringen. Und das Motiv weiß ich auch noch nicht. Fahr mich bitte 227
nach Hause, Philipp. Den Bordeaux trinken wir ein andermal. Ich hoffe nur, daß du wegen meiner Eskapaden keine Schwierigkeiten kriegst.«
Als wir aus der Gerwig- in die Sandhofenstraße ein-bogen, raste ein Streifenwagen mit Blaulicht ohne Mar-tinshorn an uns vorbei zum Hafenbecken. Ich drehte mich nicht einmal um.
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Die betenden Hände
Nach durchfieberter Nacht rief ich Brigitte an. Sie kam sofort, brachte Chinin gegen mein Fieber mit und Na-sentropfen, massierte mir den Nacken, hängte die Kleider zum Trocknen auf, die ich am Abend im Flur hatte fallen lassen, bereitete in der Küche etwas vor, was ich mir zu Mittag warm machen mußte, ging los, kaufte Orangensaft, Traubenzucker und Zigaretten und fütterte Turbo. Sie war geschäftig,
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