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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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du darauf?« Kortens Schritte verlang-samten sich, er blieb stehen, wandte sich mir zu und musterte mich.
    »Daß der alte Schmalz persönlich keinen Grund hatte, Mischkey umzubringen, versteht sich. Aber das Werk hatte ja nun einigen Ärger mit ihm, hat ihn unter 239
    Druck gesetzt, ihr habt ihn sogar zusammenschlagen lassen; und er hat Gegendruck gemacht. Und immerhin konnte er euren Deal mit Gremlich hochgehen lassen.
    Du willst mir doch nicht sagen, daß du von all dem nichts gewußt hast?«
    Nein, das wollte Korten nicht. Den Ärger hatte er schon mitbekommen, und den Deal mit Gremlich
    auch. Aber das alles sei doch nicht der Stoff, aus dem man Morde macht. »Es sei denn …«, er nahm die Brille ab, »es sei denn, ja, da hat der alte Schmalz etwas ganz falsch verstanden. Weißt du, das war so einer, der sich immer noch im Dienst glaubte, und wenn ihm sein Sohn oder ein anderer Werkschützer vom Trouble mit Mischkey erzählt hat, hat er womöglich gemeint, sich zum Retter des Werks aufschwingen zu müssen.«
    »Was könnte der alte Schmalz denn da so folgenschwer mißverstanden haben?«
    »Ich weiß nicht, was sein Sohn oder sonst jemand ihm erzählt haben mag. Oder ob jemand ihn regelrecht scharfgemacht hat? Der Sache werde ich auf den Grund gehen. Unerträglich zu denken, daß mein alter Schmalz am Ende auf diese Weise mißbraucht wurde. Und welche Tragik liegt in diesem Ende. Seine große Liebe zum Werk und ein dummes kleines Mißverständnis lassen ihn ohne Sinn und ohne Not Leben nehmen und auch das eigene Leben geben.«
    »Was ist denn in dich gefahren? Leben geben, Leben nehmen, Tragik, Mißbrauch – ich denke, verwerflich ist gar nicht, Leute zu mißbrauchen, es ist nur taktlos, sie es merken zu lassen?«
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    »Du hast recht, laß uns wieder zur Sache kommen.
    Sollen wir die Polizei reinbringen?«
    War das alles? Ein übereifriger Werkschutzveteran hatte Mischkey umgebracht, und das verdarb Korten noch nicht mal den Appetit aufs Frühstücksei. Ob ihn die Aussicht auf die Polizei im Werk erschrecken könn-te? Ich versuchte es.
    Korten erwog das Für und Wider. »Es geht mir nicht nur darum, daß es immer unangenehm ist, die Polizei im Werk zu haben. Mich dauert die Familie Schmalz.
    Mann und Vater verlieren und dann noch erfahren, daß er tödlich gefehlt hat – können wir das verantworten?
    Zu sühnen ist nichts mehr, Schmalz hat mit dem Leben bezahlt. Die Wiedergutmachung beschäftigt mich noch.
    Weißt du, ob Mischkey Eltern hatte, für die er gesorgt hat, oder sonstige Verpflichtungen, ob er einen ordentlichen Grabstein bekommen hat? Hinterläßt er jemand, dem man eine Freude machen kann? Wärst du bereit, dich darum zu kümmern?«
    Ich nahm an, daß Judith sich eine solche Freude nicht machen lassen wollte.
    »Ich hab genug ermittelt im Fall Mischkey. Was du noch wissen willst, wenn’s dir wirklich ernst ist, das besorgt dir Frau Schlemihl mit ein paar Telephonanru-fen.«
    »Immer bist du so empfindlich. Du hast im Fall Mischkey großartige Arbeit geleistet. Ich bin dir auch gerade dafür dankbar, daß du der Ermittlung zweiten Teil noch durchgeführt hast. Über solche Dinge muß ich Bescheid wissen. Darf ich meinen ursprünglichen 241
    Auftrag nachträglich erweitern und dich um Rechnung-stellung bitten?«
    Die Rechnung sollte er haben.
    »Ach, und noch etwas«, sagte Korten, »weil wir gerade bei den praktischen Dingen sind. Du hast damals vergessen, deinem Bericht den Sonderausweis beizule-gen. Steck ihn diesmal doch mit der Rechnung in den Umschlag.«
    Ich holte den Ausweis aus meiner Brieftasche. »Du kannst ihn gleich haben. Und ich mach mich jetzt auch auf den Weg.«
    Helga kam auf die Loggia, als hätte sie hinter der Tür gelauscht und das Signal zum Abschiednehmen mitbekommen. »Die Blumen sind ganz reizend, mögen Sie schauen, wo ich sie hingestellt habe?«
    »Ach, duzt euch doch, Kinder. Selb ist mein ältester Freund.« Korten legte uns beiden den Arm um die Schulter.
    Ich wollte raus hier. Statt dessen folgte ich den beiden in den Salon, bewunderte meinen Blumenstrauß auf dem Flügel, hörte den Champagnerkorken knallen und stieß mit Helga auf das Du an.
    »Warum haben wir Sie noch nicht öfter bei uns gesehen?« fragte sie in aller Unschuld.
    »Ja, das muß sich ändern«, sagte Korten, ehe ich etwas erwidern konnte. »Was hast du denn an Silvester vor?«
    Ich dachte an Brigitte. »Ich weiß noch nicht.«
    »Das ist ja wunderbar, mein lieber Selb. Dann hören wir bald wieder

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