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Selbs Mord

Selbs Mord

Titel: Selbs Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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einen Monat, seine schmutzigen Geschäfte und sich selbst aus ihrer Bank und ihrem Leben herauszuziehen. Sie würden ihn nicht anzeigen. Sie wollten ihn aber auch nicht mehr sehen.
    Aber Gregor reagierte anders, als sie erwartet hatten. Was Stephanie und Bertram sich einbildeten? Er, Gregor, habe ihnen nichts getan, er habe ihnen sogar etwas gebracht, und sie wollten ihn ruinieren. Er sei Geschäftsmann, habe Verpflichtungen und könne sich nicht leisten, seine Verpflichtungen nicht zu erfüllen. Er werde überhaupt nichts herausziehen. Und wenn man schon dabei sei: Er habe es satt, das Geld, das im Westen anfalle, erst in die Lausitz schaffen zu müssen; er werde es künftig in Schwetzingen vereinnahmen und einspeisen.
    »Einen Monat«, sagte Stephanie, »dabei bleibt es. Zwing uns nicht, zur Polizei zu gehen.«
    Zwei Wochen später war Stephanie tot. Wenn Bertram nicht mitspielen würde, wären als nächstes seine Kinder dran, zuerst das eine und dann das andere, und als letztes er selbst – er, Gregor, werde, was er sich erarbeitet habe, nicht aufgeben.
    Seitdem waren die Kinder im Internat in der Schweiz, und in ihrer Nähe waren immer zwei junge Männer in dunklen Anzügen. Oder in Ski- oder Tennis- oder Jogging- oder Wandersachen. Bertram hatte der Internatsleitung erklären müssen, es seien Bodyguards; nach dem mysteriösen Verschwinden der Mutter, hinter dem sich vielleicht eine Entführungs- und Erpressungsgeschichte verberge, sei Vorsicht geboten. Die Internatsleitung hatte keine Einwände. Die jungen Männer hielten sich auch zurück, so gut es g in g.
    »Was mit mir war, haben Sie selbst gesehen. Ich mußte aus meinem Haus in die Bank ziehen und konnte keinen Schritt mehr alleine machen. Dann sind Sie gekommen, und ich habe Sie mit der Geschichte vom stillen Teilhaber ins Spiel bringen können, weil Gregor Ihre Recherchen harmlos fand und außerdem Angst hatte, es mache Sie mißtrauisch, wenn er Sie rausschmeißt. Ich habe Sie nicht wegen des albernen stillen Teilhabers engagiert. Ich habe gehofft, Sie würden mitkriegen, was hier läuft, und zur Stelle sein, wenn es soweit ist. Aber Sie waren’s nicht.«
    Ich sah ihn verständnislos an.
    »Um Gottes willen, ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Ja, ich hatte gehofft, Sie würden merken, was los ist. Wenn Gregor mich nicht hat telephonieren lassen, wenn er sich nicht um das geschert hat, was ich gesagt habe, wenn er gesagt hat, ich hätte zu denken, was er sagt, oder wenn ihm der Koffer so wichtig war, der mir egal war – ich dachte, es würde Ihnen zeigen, was in der Bank los ist. Ich hatte auch gehofft, Sie würden heute früher kommen. Aber ich hatte auch gedacht, die Kinder würden länger bleiben. Ich wollte mit Ihrer Hilfe aus Gregors Fängen entkommen, während die Kinder bei meinen und ihren Freunden in Zürich zu Besuch sind. Verstehen Sie? Er hat sich doppelt abgesichert: Wenn die Kinder an der langen Leine sind, hat er immer noch mich, und wenn ich an der langen Leine bin, bei einem geschäftlichen Kontakt oder gesellschaftlichen Ereignis, bei dem er mir nicht das Wort verbieten kann, hat er immer noch die Kinder. Als sie bei den Freunden in Zürich waren, hatte er sie nicht. Jetzt hat er sie wieder.«
    »Wir sollten zur Polizei gehen.«
    »Sind Sie verrückt? Die haben meine Kinder! Die bringen sie um, wenn ich zur Polizei gehe.« Er starrte auf seine Hände. »Ich kann nur zurück. Ich kann nur zurück.« Diesmal weinte er wie ein Kind, mit zuckenden Schultern und jammervollen Schluchzern.

3
Nicht mehr meine Welt
    Ich machte Welker klar, daß er mit dem Zurückgehen ein paar Stunden warten konnte. Den Kindern würde nichts geschehen, solange Samarin keinen Kontakt mit ihm hatte. Samarin brauchte die Kinder nicht tot. Er brauchte sie, um mit ihrem Tod drohen zu können. Und er konnte mit ihrem Tod nur drohen, wenn er mit Welker redete.
    »Wofür soll das Warten gut sein?«
    »Ein paar Stunden ohne Gregor – ist das nichts? Ich würde auch gerne mit einem alten Freund reden, einem pensionierten Polizisten. Ich weiß, Sie wollen keine Polizei. Aber so geht es nicht weiter, für die Kinder nicht und für Sie nicht. Es muß etwas geschehen. Und wir können alle Hilfe brauchen, die wir kriegen.«
    »Wenn Sie meinen.«
    Also rief ich Nägelsbach an, und weil Gregors Leute wußten, wo ich wohne, und weil sie mir womöglich schon zu Nägelsbach und zu Brigitte gefolgt waren, rief ich Philipp an und bat ihn um Aufnahme. Wir mieden die Autobahn,

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