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Selbs Mord

Selbs Mord

Titel: Selbs Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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Eines stellte ich vor Vera Soboda auf den Tisch, eines vor den leeren Sessel, und mit einem setzte ich mich aufs Sofa.
    Ulbrich kam, blieb zuerst neben dem leeren Sessel stehen, setzte sich dann vorsichtig auf die vordere Kante, nahm das Bier und drehte es langsam zwischen den Handflächen hin und her. Es war so still, daß ich den Computer im Wintergarten leise summen hörte.
    »Prösterchen!« Ulbrich hob die Flasche und trank. Vera Soboda sah auf und ihn und mich an, als habe sie vergessen, daß wir da waren. Ulbrich räusperte sich. »Es tut mir leid, daß ich Ihnen gekündigt habe. Es war nichts Persönliches. Ich bekam keine Erklärung, nur die Anweisung, und was sollte ich machen. Ich weiß auch, daß ich vom Geschäft nichts verstehe. Aber vielleicht braucht’s keinen, der was vom Geschäft versteht. Vielleicht genügt einer, der telephonieren kann. Ich rufe an, wenn ich was nicht weiß, und krieg’s gesagt.« Er räusperte sich noch mal. »Und was Sie über die Drecksarbeit für die anderen gesagt haben – wir haben alle nichts mehr zu melden, Sie nicht und ich nicht und niemand, und wer nichts zu melden hat, muß die Arbeit nehmen, die man ihm gibt. Das ist auch nichts Persönliches.« Er nahm einen langen Schluck, rülpste leise, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und stand auf. »Ich danke recht schön für das Bier. Gute Nacht.«

7
Bratkartoffeln
    »Ist er weg?«
    Ulbrich hatte die Wohnungstür so sachte hinter sich ins Schloß gezogen und war die Treppe so leise hinuntergegangen, daß kein Geräusch die Stille unterbrochen hatte.
    »Ja.«
    »Ich habe mich ziemlich danebenbenommen. Und als ich es am Schluß hätte wiedergutmachen können, habe ich auch das noch verpatzt. Er hat recht gehabt und sogar versucht, nett zu sein. Ich habe vor lauter Ärger nicht einmal gute Nacht sagen können.«
    »Ärger über ihn?«
    »Über ihn, über mich, darüber, daß er so widerwärtig ist.«
    »Er ist nicht widerwärtig.«
    »Ich weiß. Auch darüber ärgere ich mich. Eigentlich müßte ich mich bei ihm entschuldigen.«
    »Ist der Wurstsalat im Kühlschrank für uns?«
    »Ja. Ich wollte Bratkartoffeln dazu machen.«
    »Ich kümmere mich darum.« Ich fand gekochte Kartoffeln, Zwiebeln, Speck und Öl. Das Schneiden, das Zischen in der Pfanne, der Geruch – nach der Auseinandersetzung zwischen Vera Soboda und Ulbrich tat es mir gut. Nein, Niederlagen machen einen nicht besser, nur kleiner. Mich haben die Niederlagen meines Lebens nicht besser gemacht, und ebenso waren Vera Soboda und Karl-Heinz Ulbrich durch ihre Wende- und Nachwendeniederlagen kleiner geworden. Niederlagen kosten einen nicht nur, was man investiert hat. Sie nehmen einem jedesmal ein Stück von dem Glauben, man werde immerhin die nächste Probe und den nächsten Kampf bestehen. Man werde das Leben schaffen.
    Ich servierte, und wir aßen. Vera Soboda wollte wissen, was ich in der Sorbischen erlebt hatte, und ich berichtete. Ich erzählte, woher ich Ulbrich kannte und warum ich eigentlich sicher war, daß er von alter oder neuer Geldwäsche in der Sorbischen nichts wußte. »Er hat geahnt, daß bei Weller & Welker krumme Sachen laufen, hat von russischer oder tschetschenischer Mafia geredet und dabei vielleicht auch an Geldwäsche gedacht. Aber Genaues – er selbst kann nichts entdeckt haben, und Welker hat ihn gewiß nicht eingeweiht. Wenn’s überhaupt noch was einzuweihen gibt.«
    »Wenn … Ich war ein bißchen schnell mit meinen Schlüssen.«
    »Ja.«
    »Dann hat Ulbrich vielleicht recht, und es braucht hier tatsächlich niemanden, der was vom Bankgeschäft versteht. Vielleicht muß die Sorbische sparen, gerade weil kein Geld mehr gewaschen wird, und es stehen Entlassungen an, und man hat mit mir den Anfang gemacht. Vielleicht wollte man mich los sein, damit ich bei den anderen Entlassungen keine Schwierigkeiten mache.« Dann sah sie mich mit einem traurigen Lächeln an und schüttelte den Kopf. »Nein, davon träume ich nur. Ich hätte bei den anderen Entlassungen keine Schwierigkeiten gemacht.«
    Ich stand auf und holte aus der Reisetasche die Mülltüte mit Schulers Geld. Ich erzählte, wie ich das Geld bekommen hatte und wie Schuler vermutlich daran gekommen war. »Zu tun gibt es hier genug, haben Sie gesagt. Nehmen Sie das Geld, und tun Sie’s.«
    »Ich?«
    »Ja, Sie. Ich meine natürlich nicht alles, was es hier zu tun gibt. Etwas davon.«
    »Ich … Das kommt … das kommt ziemlich überraschend. Ich weiß nicht, ob ich …

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