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Selbs Mord

Selbs Mord

Titel: Selbs Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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in den fünfziger Jahren gestorben ist, hat nach dem Krieg sicher Entschädigung für das Familienvermögen haben wollen. Die Nazis haben seinen Eltern die Wohnung kurz und klein geschlagen, so übel, daß die Eltern alle Hoffnung verloren und sich umgebracht haben. Vielleicht hat der Sohn was gewußt und erwähnt.«
    Ich brauchte eine Weile. »Von der stillen Teilhaberschaft? Die interessiert niemanden mehr. Sie hat nie wirklich interessiert, nicht meinen Auftraggeber und mich auch nicht. Ich hatte nur lange nicht begriffen, wofür sie ein Vorwand war.«
    Aber Georg hatte Feuer gefangen. »Ich habe mich ein bißchen eingelesen. In den fünfziger Jahren war das Wiedergutmachungsrecht ein Riesending und gab es Verfahren noch und noch. Viel Kleinkram, aber auch richtig große Sachen. Juden, die ganze Fabriken, Kaufhäuser oder Grundstücke für so gut wie nichts hatten verkaufen müssen und ihr Eigentum wiederhaben oder Entschädigung bekommen wollten. Erinnerst du dich nicht mehr?«
    Natürlich erinnerte ich mich. Vor allem an die Arisierungen. Einmal hatte ein naiver Jude, der nicht verkaufen wollte und den sein deutscher Geschäftsfreund erpreßte, sich an die Staatsanwaltschaft gewandt. Als ich 1942 als Staatsanwalt anfing, lag es schon eine Weile zurück, war aber immer noch gut für Witze.
    »Willst du nicht wissen, was war?«
    »Wofür?«
    »Wofür? Ich will es einfach wissen.« Er schaute mich eigensinnig an. »Ich habe den stillen Teilhaber aufgespürt. Ich weiß, was für ein Typ er war. Er war konservativ, hat gerne Musik gehört, Wein getrunken und Havannas geraucht. Er hat Orden über Orden bekommen. Er hat mit Gutachten für den Adel ein Vermögen verdient, war bescheiden und hat sein Geld für seine Nichte und seinen Neffen angelegt. Für mich lebt er!«
    »Georg …«
    »Er ist tot, ich weiß. Es ist nur eine Redensart. Aber ich finde Laban interessant genug, um jetzt alles wissen zu wollen. Was kriege ich eigentlich für meine bisherigen Recherchen?«
    »Ich dachte an tausend plus Spesen. Und wo wir gerade darüber reden …« Ich schrieb ihm einen Scheck über zweitausend Mark.
    »Danke. Das langt, um nach Berlin zu fahren und in den Akten zu wühlen. Bis die Arbeit anfängt, habe ich noch ein paar Tage. Ich sag dir auch, was ich gefunden habe.«
    »Georg?«
    »Ja?«
    Ich sah ihn an, das schmale Gesicht, den aufmerksamen, ernsthaften Blick, den Mund, wie meistens leicht geöffnet, als staune er.
    »Sieh dich vor den Skins vor!«
    Er lachte. »Jawohl, Onkel Gerd.«
    »Lach nicht. Und sieh dich auch vor den anderen vor!«
    »Jawohl.« Er stand lachend auf und ging.

8
Ausfälle
    Am Montag rief ich Philipp an, aber er weigerte sich, den Kollegen Armbrust am ersten Tag nach der Rückkehr aus dem Urlaub anzurufen. »Du machst dir keine Vorstellung, was da los ist. Gib mir bis morgen oder besser Mittwoch.«
    Am Mittwoch kam er bei mir im Büro vorbei. »Wenn ich schon nicht viel zu bieten habe, kriegst du’s immerhin persönlich. Ein netter Kollege, der Armbrust. Wir haben festgestellt, daß er mir schon den einen und anderen Patienten überwiesen hat.«
    »Und?«
    »Ich habe ihn nach Asthma und Allergien gefragt. Nichts. Bis auf Bluthochdruck und Herzprobleme war Schuler gesund. Gegen Schlaflosigkeit hat er Ximovan bekommen, ein Mittel, bei dem es am nächsten Morgen keinen dicken Kopf gibt. Er hat fürs Herz ACE-Hemmer und Zentramin genommen und fürs Wasser Moduretik. Für den Blutdruck gab’s Catapresan, ein vorzügliches Mittel, das man nur nicht von jetzt auf nachher absetzen darf, wenn man keine Ausfälle riskieren will.«
    Ich kannte die Namen. Sie waren unter den Namen der Medikamente, die ich aus Schulers Badezimmer mitgenommen hatte, damit Philipp mich über Schulers Verfassung informieren könnte. Ich hatte sogar angefangen, die Beipackzettel zu lesen. »Ausfälle?«
    »Beim Fahren, beim Reden, bei allem, was Konzentration verlangt. Deswegen kriegt Catapresan niemand verschrieben, der zerstreut, verwirrt oder einfach vergeßlich ist. Armbrust hat Schuler als penetrant riechenden, aber erstaunlich präsenten alten Herrn beschrieben.«
    »So kannte ich ihn auch.«
    »Das heißt nicht, daß er seine Tabletten nicht vergessen haben kann. Am ersten Tag ohne geht’s noch. Auch am zweiten. Aber am dritten können die Ausfälle massiv werden. Du mußt dir das so vorstellen: Am ersten und zweiten Tag hat er sich nicht ganz wohl gefühlt und gedacht, es ist das Wetter oder das viele Bier vom Abend

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