Selbst ist der Mensch
sich eine seltsame und unerwartete, aber auch sehr befreiende Folgerung.
Wir alle haben unseren Körper stets im Kopf: Er liefert uns einen Gefühlshintergrund, der potenziell in jedem Augenblick zur Verfügung steht, sich aber nur dann bemerkbar macht, wenn er nennenswert von einem relativ ausgeglichenen Zustand abweicht und ein erhebliches Wohlsein oder Unwohlsein registriert. Wir haben unseren Körper im Kopf, im Geist, weil uns das hilft, unser Verhalten in allen möglichen Situationen, welche die Unversehrtheit des Organismus gefährden und das Leben beeinträchtigen könnten, zu lenken. Diese besondere Funktion greift auf die älteste auf einem Gehirn beruhende Form der Lebenssteuerung zurück. Sie wurzelt in der einfachen Signalübertragung vom Körper zum Gehirn, in den grundlegenden Auslösern für automatische Steuerungsreaktionen, die das Lebensmanagement unterstützen sollen. Wir müssen aber einfach darüber staunen, was ausgehend von derart einfachen Anfängen erreicht wurde. Eine Körperkartierung raffiniertester Form bildet die Grundlage sowohl für den Selbst-Prozess im bewussten Geist als auch für die Repräsentation der Außenwelt. Die Innenwelt eröffnete den Weg für unsere Fähigkeit, nicht nur diese Innenwelt zu kennen, sondern auch die Welt um uns herum.
Im Mittelpunkt steht der lebende Körper. Lebenssteuerung ist Notwendigkeit und Motivation. Die Gehirnkartierung ist der Transformator, der Mechanismus, der die einfache Lebenssteuerung in eine Steuerung durch den Geist und schließlich sogar eine Steuerung durch den bewussten Geist verwandelt.
5. Emotionen und Gefühle
Lokalisierung von Emotion und Gefühl
In dem Bestreben, das Verhalten der Menschen zu verstehen, wurde vielfach versucht, die Emotionen außen vor zu lassen, aber vergeblich. Verhalten und Geist, ob bewusst oder nicht, aber auch das Gehirn, das sie hervorbringt, geben ihre Geheimnisse nicht preis, wenn wir die Emotionen (und die vielen Phänomene, die sich hinter diesem Namen verbergen) nicht berücksichtigen und gebührend würdigen.
Mit der Erörterung des Themas Emotionen kehren wir zu der Frage von Leben und Wert zurück. Damit müssen wir über Belohnungen und Bestrafungen sprechen, über Antriebe und Motivationen und natürlich über Gefühle. Eine Erörterung der Emotionen beinhaltet die Untersuchung der extrem vielfältigen Instrumente der Lebenssteuerung, die im Gehirn zur Verfügung stehen, sich aber Prinzipien und Zielen verdanken, die dem Gehirn vorausgingen und die mehr oder weniger automatisch und aufs Geratewohl tätig werden, bis sie sich im bewussten Geist in Form von Gefühlen bemerkbar machen. Emotionen sind die pflichtbewussten Vollstrecker und Diener des Wertprinzips, sie sind die bisher intelligentesten Sprösslinge des biologischen Wertes. Andererseits hängen die Sprösslinge der Emotionen, die emotionalen Gefühle, die unser gesamtes Leben von der Wiege bis zur Bahre färben, drohend über der Menschheit und sorgen dafür, dass bestimmte Emotionen nicht übersehen werden.
Im Teil III, in dem ich mich mit den neuronalen Mechanismen hinter dem Aufbau des Selbst befasse, werde ich häufig die Phänomene Emotion und Gefühl heranziehen, weil ihre Mechanismen zum Aufbau des Selbst beitragen. Das vorliegende Kapitel soll keinen Gesamtüberblick über Emotionen und Gefühle geben, sondern kurz ihre Funktionsweise vorstellen.
Emotion und Gefühl: eine Definition
Wenn man über Emotionen spricht, steht man vor zwei wichtigen Problemen. Das eine ist die Heterogenität der Phänomene, die mit diesem Etikett versehen werden. Wie wir in Kapitel 2 erfahren haben, wirkt das Wertprinzip mittels Belohnung und Bestrafung, aber auch über Antriebe und Motivationen, die ein unverzichtbarer Teil der Emotionsfamilie sind. Wenn wir über die eigentlichen Emotionen sprechen (beispielsweise über Angst, Wut, Trauer oder Ekel), geht es zwangsläufig auch um alle diese anderen Mechanismen, weil sie entscheidende Bestandteile jeder Emotion sind und eigenständig an der Lebenssteuerung mitwirken. Die eigentlichen Emotionen sind nur die untrennbaren Kronjuwelen der Lebenssteuerung.
Das andere wichtige Problem ist die Unterscheidung zwischen Emotion und Gefühl. Beide Prozesse sind zwar Teile eines eng verwobenen Kreislaufs, man kann aber zwischen ihnen unterscheiden. Mit welchen Wörtern wir diese unterschiedlichen Prozesse bezeichnen, spielt keine Rolle, vorausgesetzt, wir erkennen an, dass sich Emotion und
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