Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Herz: War das ein Scheiß?«
    Ja, ich bin arbeitslos. Nach den Vorstellungsgesprächen versuche ich mich immer mit Freunden zu treffen, aber das Problem mit meinem Alter ist doch:
    Das Alter.
    Man hat keine Freunde mit coolen Namen. Wenn einem die Kumpels nicht generell altersbedingt am Tischkicker weggestorben sind, tragen die Überlebenden Namen wie Jürgen, Karl-Heinz oder Günther. Ich würde mich vermutlich besser fühlen, wenn sie wenigstens bereit wären, auf smarte Pseudonyme zu reagieren. Aber auf mich hört ja keiner.
    Â»Mann, Mann, Schumpo, das ist ja mal ’n krasser Laden.«
    Â»Torsten, das ist Fielmann. Und ich heiße Klaus.«
    Mit solchen Freunden stehst du allein da. Was waren wir früher für krasse Typen. Ja, früher.
    Jedes Jahr sagten wir uns: »Ey! Wir mieten uns an Silvester ’ne Hütte in den Bergen!« Bringt zwar nicht viel, sich das jedes Jahr zu sagen, tut aber auch keinem weh. Und heute?
    Gestern hat Günther für kleines Geld ein iPhone auf dem Schwarzmarkt geholt. Aber es hat keinen Empfang. Null. 100 Euro sind kein Geld für ein iPhone, aber Recherchen ergaben: Was er da gekauft hatte, war ein Taschenrechner. Wir merkten es daran, dass die Telefonnummern immer zusammengezählt wurden. Wir sind alt geworden. Analoge Typen in einer digitalen Zeit.
    Ist alles schwierig geworden. Überall Stolperfallen.
    Zuhause sitzt diese Frau auf der Couch. Seit mir ihr Name entfallen ist, sind unsere Gespräche etwas umständlich geworden.
    Â»Hallo, du«, sage ich beim Reinkommen.
    Klingt jetzt dumm, aber seid froh, dass ihr nicht dabei wart, als ich sie ’ne Woche lang gesiezt habe.
    Â»Wie war dein Vorstellungsgespräch?«
    Â»Du, das war nix.«
    Â»Ich möchte einen Partner, der Arbeit hat!«
    Partner, denke ich, was soll das denn? Was für ’n Partner? Für wen hält sie sich? Mel Gibson?
    â€ºRiggs, es tut mir leid, dass Ihr Partner getötet wurde, aber so geht es nicht weiter. Geben Sie mir Ihre Waffe und die Dienstmarke.‹
    â€ºSie werden mich trotzdem nicht davon abhalten, den Mörder meines Partners zu finden.‹
    â€ºSie sind suspendiert. Geben Sie mir Ihre Marke!‹
    Ich sage besser nix dazu. Stattdessen:
    Â»Puppe, es ist nicht leicht.«
    Â»Torsten?«
    Â»Ja?«
    Â»Wie heiße ich?«
    Â»Warum?«
    Â»Sag es.«
    Â»Momento«, sage ich, stehe auf und beginne mich umzusehen. Frauen beschriften ja immer ihr Zeugs mit Namen. Bin ich ein Fuchs. Gehe ins Bad, dann in die Küche. Hm.
    Â»Wie heiße ich?«
    Â»Ich kann’s eingrenzen. Entweder Rexona oder Moulinex.«  
    Â»Wie bitte?«
    Â»Na gut«, sage ich. »Ich nehm den Fifty-fifty-Joker.«
    Schlafe ich heute eben bei Günther. Er schaut grade HERR DER RINGE. Warum ist dieser Film so geschwätzig?
    Ich bin 45, ich habe keine Zeit mehr, mir dreieinhalb Stunden lange Filme über die Schmucktransporte von Liliputanern reinzuziehen. Warum kürzt man Der HERR DER RINGE nicht auf die Essenz zusammen:
    Gandalf: Bring Ring weg.
    Frodo: Ich kuck ma.
    Gandalf: Nimm Kollegen mit.
    Frodo: Jou.
    Zwölf Sekunden. Alles drin. Egal.
    Dann schauen wir Harry Potter . Ich sehe es mir eine Stunde an, dann geht’s nicht mehr.
    Â»Günther, was soll das?«
    Â»Was denn?«
    Â»Hömma, wenn ich dieser gefürchtete Dessen-Namen-man-nicht-ausspricht-Stratege wäre, also Kollege Voldemort, wäre es dann nicht erstes Ziel und leichteste Übung, sich mal ’ne Nase in die Fresse zu zaubern? So kann doch keiner rumlaufen. Ich meine, sowas gibt’s im Karnevalsbedarf. Kostet vielleicht drei Euro. Dem rutscht doch so immer die Brille aufs Kinn.«
    Â»Voldemort trägt keine Brille!«
    Â»Ja wie denn auch?«
    Â»Harry Potter ist ziemlich realistisch«, sagt Günther.
    Â»Ja total. An der Nase eines Mannes erkennst du den Johannes. Da bleibt bei dem Kollegen wohl der Kittel leer.«
    Â»Im Ernst«, sagt er. »Alles ziemlich realitätsnah. Schau mal. Im Film bewegen sich alle gerahmten Fotos und so. Das kannst du mit ’nem digitalen Bilderrahmen auch. Kostet 30 Euro bei MEDIA MARKT.«
    Â»Ach ja, stimmt, Mann. Und Einhörner gehen auch. Muss nur einer das Pferd festhalten, dann nimmt man ’ne Mohrrübe und ’ne Heißklebepistole …«
    Â»Bleib mal sachlich.«
    Â»Ich bin sachlich,