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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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dich vielleicht – Fußball im Radio. Das kann man sich doch vorstellen«, sagte sie. »Das gibt’s seit Jahrzehnten. Jetzt fängt die Frauen-Fußball-WM an. Da läuft das dann nur noch im Radio. Das ist die erfolgreichste Mannschaft der Welt.«
    Ja stimmt, fiel mir ein. Hatte ich auf t-online gelesen. Und dass man einem Team aus dem afrikanischen Raum unterstellte, sie hätten zwei Männer in der Damen-Mannschaft. Eines der Fotos sah auch echt so aus, als würde Wesley Snipes mitspielen. Hatte mich schon gefragt, was der so macht.
    Sie war schon wieder sauer. Ich musste Interesse zeigen.
    Â»Du, Liebling«, sagte ich. »Haben die Fußballerinnen auch Hooligans?«
    Â»Was?«
    Â»Na so Hools. Weibliche Hooligans. Die sich vor jedem Spiel im Internet organisieren, und die eine schreibt dann: Sammeln uns vermummt vorm Südeingang … Brigitte bringt diesmal den Blechkuchen mit.«
    Â»Du sexistischer Penner. Du hast von Fußball einfach keinen Schimmer, Freundchen. Mach du weiter mit deinen blödsinnigen Hobbys.«
    Jaja, dachte ich.
    Ballerspiele regen nicht zu Amokläufen an.
    Frauen schon.
    Ich musste was tun.
    Am nächsten Tag rief ich sie im Büro an.
    Â»Liebling«, sagte ich. »Heute Abend schön ’n Film? Was knabbern. Ganz romantisch?«
    Â»Hm«, sagte sie. »Aber ich such den Film aus.«
    Â»Klar. Was darf’s denn sein?«
    Sie überlegte kurz. »Pretty Woman«, sagte sie dann. Ihre Stimme hatte etwas Lauerndes.
    Â»Super, Liebling. Den wollte ich immer mal schauen. Hab ich bis jetzt nie geschafft.«
    Halb acht. Kerzen an. Chips auf dem Tisch.
    Sie kuschelte sich auf das Sofa. Ich saß neben ihr, die Fernbedienung in der Hand.
    Sie sagte: »Was ist jetzt mit Pretty Woman?«
    Ich warf die Fernbedienung von mir und sagte:
    Â»Da, Vorstoß, Richard Gere hat sich verfahren, Gasse, Gasse, da, Bordsteinschwalbe, Stretchkleid, uiuiui, bremsen, nach dem Weg fragen, Pass ins Hotel, Badewanne, Prostituierte kriegt hohe Ablöse, jaaa, Rest der Woche, das läuft, verliebt, Shopping, da kommt die Verkäuferin, uhhhhh, böse Sache, Hure traurig, Richard Gere tröstet, jaaa, Trost, volle Breitseite, da: Missverständnis, voll reingeflankt, Prostituierte kann nach Hause gehen, Bums, Richard Gere von links, straff rein, Kuss Kuss, Gere versenkt, große Liebe, der Pfosten … Abpfiff.«
    Sie sah mich lange an.
    Â»War schön, oder?«, fragte ich. »Oder fandest du das jetzt völlig unverständlich?«
    Sie sagte nichts. Sah wütend aus. Hm, dachte ich, an mir kann’s jetzt ja nicht gelegen haben. Und dann dachte ich – huch! Sie war doch nicht noch sauer wegen der Sexsache neulich? … als sie mich in Dessous fragte, und das mit so einer gurrenden Stimme, ob sie für mich tanzen soll, und ich sagte: »Ouuuuh ja.«
    Sie legte dann los, und ich dachte mir: sexy, wirklich sexy … aber so ohne Musik sang ich laut die Melodie vom Ententanz. Und danach lief der Abend irgendwie aus dem Ruder.
    Na ja.
    Wie gesagt: Bis jetzt bin ich noch immer derjenige gewesen, der verlassen wurde. Diesmal auch. Und ich habe mal wieder keine Ahnung warum.

Postamt
    I n meinem Alter ist das gar nicht mehr so einfach, Entspannung in den faltigen Balg zu kriegen.
    Viele versuchen es mit Meditation, generell gute Idee, immerhin immer noch besser als Rumsitzen und Nichtstun, aber für mich ist das nichts. Mit Mitte 40 habe ich schon vor geraumer Zeit ein Relaxans entdeckt: eine Art plattformvariabler Yogaübung im Verbund mit Fremden aus aller Herren Länder, konzipiert, um den Alltagsstress aus dem Leib zu treiben und speziell im Bereich der Fingermuskulatur relevante Beweglichkeitszuwächse zu erreichen, und das alles zum einmaligen Preis von max. 69 Euro.
    Hui, das macht den Geist frei.
    Man nennt es CALL OF DUTY. In der Tat, ein Computerspiel, zudem aus der Gattung der Egoshooter, zu Deutsch: Ich-Schießer. Das Tolle daran: Man lernt im Online-Modus wirklich mannigfache Kulturen kennen, kann mit ihnen per Kopfhörer kommunizieren, sagt sich selbst schon mal: »Holla die Bolla, schau an, ein Mongole, das ist toll« – und dann versucht man ihn zu töten. Und danach alle anderen. Da wabern einem aber auch Sprachen und Dialekte in die Stube, man erwirbt pfundweise Kenntnisse über die Fäkalsprache von Schwellenländern und erlangt zudem tiefe

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