Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
ist Dr. Gisela Wild. Wir lernten uns im Zusammenhang mit einem Steuerstreit vor dem Bundesverfassungsgericht kennen. Gisela Wild hatte Verfassungsbeschwerde eingelegt, der Deutsche Juristinnenbund war aufgefordert, ein Gutachten zu erstellen, ich übernahm diese Aufgabe. »Wenn wir beim Bundesverfassungsgericht reüssieren, trete ich dem Juristinnenbund bei«, sagte Frau Wild, und so kam es tatsächlich. Sie ist eine sehr charmante und erfolgreiche Frau, die es versteht, zu kämpfen. Schnell wurde sie Zweite Vorsitzende des Juristinnenbundes, während der Zeit, als ich Erste Vorsitzende war. Auch beim sogenannten Stern- Prozess 1978, bei dem es um Pornographie und Frauendiskriminierung auf einem Titelfoto der Zeitschrift ging, taten wir uns zusammen. Gisela Wild vertrat als Anwältin die Kläger, ich beriet sie im Hintergrund. Manfred Engelschall entschied den Prozess – so schließt sich der Kreis.
Wie ich arbeiten auch Renate Damm und Gisela Wild bis heute als Anwältinnen. Beide sind Pionierinnen, beide sehr ausgeprägte Persönlichkeiten – bewundernswerte, starke Frauen. Im Laufe der Jahrzehnte hatten wir immer wieder gemeinsame Anliegen, haben gemeinsame Ziele verfolgt. Dann schauten wir: Welche von uns kann was beitragen? Wer kennt wen und kann ihn oder sie mit ins Boot holen? Die Aufgaben wurden verteilt, die Kontakte hergestellt, das Netz wurde geknüpft – und hielt.
Engelschall, Engler, Damm und Wild: vier Menschen von vielen, mit denen mich sehr schöne, vertrauensvolle Freundschaften verbinden.
Die eine Herzensfreundin, die sogenannte beste Freundin, hatte ich hingegen nie. Vielleicht, weil ich eine klassische Netzwerkerin bin – ich telefonierte lieber mit zwei, drei, vier Freunden und Freundinnen, als mit einer Freundin lange auf der Couch zu sitzen und unsere Herzen auszuschütten ; vielleicht auch, weil ich mich, trotz allem, im Ernstfall auf mich selbst zurückziehe. Die großen Entscheidungen in meinem Leben habe ich allein getroffen. Auch die großen Lebensrückblicke unternahm ich im Stillen, im bewusst gewählten Alleinsein: Was habe ich wann richtig gemacht? Was war falsch? Was würde ich heute anders machen? Und welchen Weg schlage ich als nächsten ein? Das alles habe ich immer wieder mit mir selbst ausgemacht.
Die »beste Freundin« habe ich nie vermisst, einen Lebensgefährten schon eher. Nach meiner Scheidung hatte ich Beziehungen, auch langjährige und erfüllende. Doch so lange, wie ich es mir gewünscht hätte, haben sie nicht gehalten, und so intensiv, wie ich es mir vorstellte, waren die meisten Partnerschaften nicht. Je weiter ich in der beruflichen Hierarchie aufstieg, desto respektvoller, aber auch distanzierter begegneten mir die Männer. Das bemerkte ich als Vorsitzende Richterin am Hanseatischen Oberlandesgericht – und noch stärker als Hamburger Justizsenatorin. Mein Eindruck war: An eine Frau eines solchen Ranges trauen sich viele Männer nicht unbefangen heran. Vielleicht verunsichert sie die Machtposition der Frau. Das habe ich registriert und schließlich akzeptiert und dabei festgestellt: Ich kann auch sehr gut ohne Mann leben. So ist es bis heute. Trotzdem hoffe ich, dass die Befangenheit und Verunsicherung der Männer gegenüber Frauen, die in der Hierarchie weiter oben stehen, irgendwann enden. Bekanntlich können viele Frauen problemlos Beziehungen mit mächtigeren Männern eingehen. Für alle Seiten wäre es schön, wenn dies auch umgekehrt funktionierte.
Neben den mehr oder weniger auf eigene Faust geknüpften Netzwerken im privaten wie beruflichen Umfeld gehöre ich verschiedenen von offizieller Seite organisierten Netzwerken an, sogenannten Service– und Gesellschaftsclubs. Jeder und jede hat schon einmal vom Lions oder Rotary Club gehört, die ursprünglich nur Männer aufnahmen, seit einiger Zeit aber auch Frauen offenstehen. Weniger bekannt sind Soroptimist und Zonta International, die Service-Organisationen berufstätiger Frauen. Seit den achtziger Jahren gehöre ich dem Hamburger Zonta Club an, bin somit eine »Zontian«. Einmal im Monat treffen die Hamburger Zontians sich in einem Privathaus und tauschen sich aus.
Für mich ist dabei besonders interessant, dass Frauen sehr unterschiedlicher Berufe zusammenkommen. Vor meiner Zonta-Zeit kannte ich bereits Hunderte von Juristinnen, aber zum Beispiel keine Bühnenbildnerin. Dann änderte es sich. Auch die wunderbare Hamburger Bildhauerin Uta Falter-Baumgarten lernte ich bei den Zontians kennen.
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