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Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Titel: Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lore Maria Peschel-Gutzeit
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Früher habe ich das fast nie getan, weil ich nicht die Möglichkeit hatte. Dann hatte ich die Möglichkeit, nutzte sie aber aus Gewohnheit nicht. Mittlerweile habe ich es gelernt. In meinem heutigen Beruf als Rechtsanwältin mit den Schwerpunkten Familien– und Erbrecht habe ich täglich von der ersten bis zur letzten Minute mit Menschen zu tun, die in Schwierigkeiten sind. Sie tragen schwere Lasten und laden einen Teil ihrer Last bei mir ab. Mein Arbeitsalltag besteht großteils aus Kommunikation, und nach der Arbeit muss ich mich manchmal auf mich selbst zurückziehen.
    Aus ähnlichen Gründen verhalte ich mich ganz unzeitgemäß im Umgang mit dem Handy und mit E-Mails. Mein Mobiltelefon habe ich nur im Auto immer eingeschaltet, dort möchte ich für meine Mitarbeiterinnen erreichbar sein. Außerhalb des Autos schalte ich das Handy unterwegs nur ein, wenn ich selbst jemanden anrufen möchte. Auf manchen Fahrten zwischen Hamburg und Berlin erhalte ich zehn SMS oder mehr – es tut mir sehr leid, wirklich, aber ich schaffe es nicht, sie alle zu beantworten. E-Mails gehen grundsätzlich zuerst in meinem Sekretariat ein, es sind bis zu neunzig am Tag. Meine Sekretärin sortiert alles vor und leitet nur die Mails an mich weiter, die wirklich wichtig sind und die sie nicht allein bearbeiten kann oder möchte.
    Der ständige Informationsfluss, der heute üblich ist, würde mich belasten, meine Konzentration schwächen und mir wertvolle Zeit nehmen. Für jüngere Leute ist es sicher eine große Herausforderung, mit der Dauerkommunikation und der ständigen Reizüberflutung umzugehen und sich ihr, wenn nötig, auch hin und wieder zu entziehen. Mir fällt das aufgrund meiner Erfahrung relativ leicht. Eine Freundin von mir sagte einmal: »Nur Domestiken müssen dauernd erreichbar sein – wir nicht.« Das stimmt, auch wenn es sehr arrogant klingt.

    Mein enger Freundeskreis und auch mein weiteres persönliches Netzwerk bestehen ungefähr je zur Hälfte aus Männern und Frauen. Kürzlich sagte mir jemand, das sei ungewöhnlich, meist hätten Frauen mehr Freundinnen als Freunde. Darüber hatte ich noch nie nachgedacht. Mich faszinieren Menschen mit einem wachen, ausgeprägten Geist, Menschen, die vielseitig interessiert sind, offen für andere Meinungen, für einen fruchtbaren Dialog. Und humorvolle Menschen – vor allem solche, die einen intelligenten, hintersinnigen Humor pflegen. Wenn ich Menschen mit diesen Eigenschaften treffe, spielt das Geschlecht für mich keine Rolle. Und in einem Beruf wie meinem trifft man immer noch mehr Männer als Frauen.
    Zwei Juristen, mit denen mich eine herzliche Freundschaft verband beziehungsweise verbindet, habe ich in diesem Buch bereits erwähnt: Manfred Engelschall, der leider nicht mehr lebt, und Helmut Engler. Mit beiden geriet ich zunächst aneinander. Engelschall war, Engler ist ein politisch konservativ denkender Mensch und CDU-Mitglied. »Du rote Zecke!«, mokierte sich Engelschall bei manchen Diskussionen über mich. Dann konnte ich nur antworten: »Du Ewiggestriger.« Zu Engler sagte ich manchmal: »Du bist ein richtiger Altfranke.« Er reagierte gelassen. »Stimmt, kein Zweifel.« Dabei ist er eigentlich Badener – das Wort »Altfranke« steht in unserer Generation für »altmodisch«.
    Meine beiden »Engelfreunde« wurden einige Jahre vor mir geboren. Vielleicht war es für sie anfangs sogar eine Freude, sich mit einer jüngeren Juristin zu streiten und zu messen. Jedenfalls konnten wir es gut aushalten, dass wir nicht in allem übereinstimmten. Wenn mich ein Mensch fasziniert, kommt es nicht darauf an, ob er einer politischen Partei angehört und wenn, welcher. Mit den meisten Freunden stellte ich irgendwann fest: Es gibt Themen, bei denen wir nicht zusammenkommen. Solange es dennoch genügend andere Anknüpfungspunkte gibt, wird die Freundschaft nicht leiden.
    Eine meiner langjährigsten Freundinnen ist die Hamburger Juristin Renate Damm, die ich schon an der Universität während des Examens kennenlernte. Danach trafen wir uns am Landgericht wieder, ich war Richterin in der Pressekammer, sie arbeitete als Justiziarin beim Axel Springer Verlag. Sie war eine blitzgescheite, dabei aber recht angriffslustige Anwältin ; alsbald gerieten wir aneinander. Bekanntlich hat mich das nie daran gehindert, später mit einem Menschen Freundschaft zu schließen.
    Eine andere bekannte Hamburger Juristin, mit der ich gut befreundet bin und die ebenfalls unserer Generation angehört,

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