Selection
angerufen und gesagt, dass man dich vielleicht ein paar Tage nicht erreichen kann, und wir wussten ja von dem Angriff dieser verfluchten Rebellen. Wir hatten solche Angst um dich.« Sie begann zu weinen.
»Bitte nicht weinen, Mom. Es geht mir gut.« Ich warf einen Blick auf Silvia. Sie sah gelangweilt aus.
»Warte mal«, sagte meine Mutter, und ich hörte etwas rumoren.
»America?«, fragte May mit tränenerstickter Stimme. Für sie mussten die Nachrichten besonders schlimm gewesen sein. »May! Ach, May, ich vermisse dich so sehr!« Mir kamen wieder die Tränen.
»Ich dachte, du seist tot! Ich hab dich so lieb, America! Versprich mir, dass du nicht stirbst«, schluchzte May.
»Ich verspreche es dir«, sagte ich, auch wenn ich über solch ein Versprechen nur lächeln konnte.
»Kommst du heim? Kannst du nicht heimkommen? Ich will nicht, dass du da noch länger bleibst«, bettelte May.
»Heimkommen?«, wiederholte ich.
Meine Gefühle waren so verworren. Ich vermisste meine Familie. Ich fürchtete mich vor den Angriffen der Rebellen. Ich hatte diesen ganzen Wettbewerb satt, und ich wusste nicht, ob es mir gelingen würde, mich von Aspen fernzuhalten. Eigentlich hatte ich ohnehin nie hier sein wollen, und meine Chance, Maxons Gattin zu werden – falls ich das überhaupt wollte – war so minimal, dass ich sie nicht mal erkennen konnte. Und dennoch?…
»Nein, May. Ich kann noch nicht heimkommen. Ich muss erst mal hierbleiben.«
»Warum?«, stöhnte May.
»Darum«, antwortete ich nur.
»Aber warum denn?«, fragte May erneut.
»Einfach … darum.«
May schwieg einen Moment. Sie schien zu überlegen. Dann sagte sie: »Bist du in Maxon verliebt?« Jetzt hörte ich wieder den schwärmerischen Tonfall in ihrer Stimme. Sie würde schon klarkommen.
»Äm, weiß ich nicht, aber –«
»America! Du hast dich in Maxon verliebt! Ich glaub’s nicht!« Ich hörte Dad im Hintergrund »Was?« schreien, und dann meine Mom »Ja, ja, ja!« rufen.
»May, ich habe nicht gesagt –«
»Ich wusste es!« May hörte gar nicht mehr auf zu lachen. Ihre Angst, mich zu verlieren, war wie weggeblasen.
»Ich muss jetzt aufhören, May. Die anderen Mädchen wollen auch noch telefonieren. Ich wollte euch nur sagen, dass es mir gut geht. Ich schreibe euch bald, okay?«
»Ist gut. Erzähl mir dann von Maxon, ja? Und schick noch mehr Geschenke! Hab dich lieb!«, rief May.
»Ich dich auch. Bis bald.«
Ich unterbrach schnell die Verbindung, damit May nicht noch mehr verlangen konnte. Aber kaum hörte ich Mays Stimme nicht mehr, vermisste ich meine Schwester schlimmer als zuvor.
Silvia griff in Sekundenschnelle nach dem Telefon und marschierte damit zur Tür.
»Alles Gute«, sagte sie und verschwand.
Gut fühlte ich mich nun wahrlich nicht. Aber ich wusste, dass sich das ändern würde, wenn mir eine Lösung für mein Problem mit Aspen und Maxon einfallen würde.
24
Amy, Fiona und Tallulah waren binnen weniger Stunden verschwunden, und ich fragte mich, ob sie es so eilig gehabt hatten oder ob das Silvias Organisation zu verdanken war. Damit hatte sich die Anzahl der Erwählten auf neunzehn reduziert, und ich das Gefühl, dass auf einmal alles sehr schnell ging. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sich das Tempo noch steigern würde.
Nach dem Angriff kehrten wir zu unserem Alltag zurück. Das Frühstück am nächsten Tag war so köstlich wie immer, und ich fragte mich, ob ich dieser fantastischen Mahlzeiten jemals überdrüssig werden könnte.
»Ist das nicht himmlisch?«, sagte ich zu Kriss, als ich in eine sternförmige Obstscheibe biss. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Kriss hatte den Mund voll, nickte aber bestätigend. An diesem Morgen fühlte ich mich den anderen Mädchen sehr verbunden. Dass wir gemeinsam einen großen Rebellenangriff überstanden hatten, schien uns alle enger zusammenzuschweißen. Emily reichte mir den Honig. Tiny erkundigte sich beeindruckt, woher meine Kette mit dem Vogelanhänger stammte. Die Stimmung war wie bei mir zu Hause, bevor Kota so ein Idiot wurde und bevor wir Kenna an ihren Mann verloren: fröhlich, gesprächig, herzlich.
Mir wurde plötzlich klar, dass ich später den Kontakt zu diesen Mädchen halten würde, wie auch Maxons Mutter es damals mit den Erwählten getan hatte. Ich würde wissen wollen, wen sie geheiratet hatten, und Weihnachtskarten schicken. Und sie besuchen, damit wir uns an alles erinnern konnten, als sei das Casting ein gemeinsames Abenteuer und nicht ein Wettbewerb
Weitere Kostenlose Bücher