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Sicherheit noch ein Gefäß.
Bariel saß direkt vor ihr. Was sie der armen Olivia zuraunte, konnte ich nicht hören, aber vermutlich drohte sie mit drastischen Maßnahmen, falls es zu einem weiteren Anfall kommen sollte.
Ich nahm an, dass Maxon das Ereignis mitbekommen hatte, und blickte zu ihm hinüber, um seine Reaktion zu sehen. Aber er wirkte ganz ungerührt und schaute erstaunlicherweise mich an. Und er zupfte blitzschnell und beiläufig an seinem Ohr. Ich antwortete mit derselben Geste. Dann wandten wir beide den Blick ab.
Ich fand die Vorstellung sehr aufregend, dass Maxon heute Abend auf mein Zimmer kommen würde.
Die Nationalhymne ertönte jetzt, und auf kleinen Bildschirmen im Studio sah man das Nationalwappen. Ich richtete mich auf. Meine Familie würde heute Abend vor dem Fernseher sitzen, und sie sollte stolz auf mich sein.
König Clarkson trat ans Mikrofon und sprach über den kurzen und wirkungslosen Angriff der Rebellen auf den Palast (den ich allerdings nicht gerade als wirkungslos bezeichnet hätte – immerhin hatten sich die meisten Mädchen halb zu Tode gefürchtet). Eine Information jagte die nächste, und ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, aber es fiel mir schwer. Ich war es gewohnt, für den Bericht auf einer bequemen Couch zu sitzen, Popcorn zu futtern und mit meiner Familie zu plaudern.
Für viele Vorfälle, von denen berichtet wurde, machte man die Rebellen verantwortlich. Der Straßenbau in Sumner verzögerte sich aufgrund der Angriffe, und die Streitkräfte in Atlin waren reduziert, weil man sie wegen eines Rebellenaufstands nach St. George hatte schicken müssen. Von all diesen Ereignissen hatte ich zuvor nichts gehört. Mit meinen eigenen Erfahrungen im Hinterkopf fragte ich mich jetzt, wie viel man überhaupt über die Rebellen wusste. Vielleicht konnte ich das nicht beurteilen, aber ich fand dennoch, dass man ihnen nicht die Schuld an allem zuschieben konnte, was in Illeá schieflief.
Und dann, nachdem der Pressesprecher ihn angekündigt hatte, kam Gavril auf die Bühne marschiert.
»Guten Abend, verehrtes Publikum«, rief er. »Heute habe ich eine ganz besondere Nachricht für Sie. Das Casting hat vor einer Woche begonnen, und acht der Erwählten wurden bereits nach Hause geschickt. Prinz Maxon hat also nun die Wahl unter siebenundzwanzig bezaubernden jungen Damen. Und am nächsten Freitag wird der Bericht vom Capitol vor allem jenen außergewöhnlichen jungen Frauen gewidmet sein.«
Ich spürte, wie sich an meiner Schläfe Schweißtropfen bildeten. Hier sitzen und hübsch aussehen … das war machbar. Aber Fragen beantworten? Ich wusste, dass ich nicht als Siegerin aus diesem Spiel hervorgehen würde; darum ging es ja auch nicht. Aber ich wollte mich unter keinen Umständen vor den Augen der ganzen Nation zum Narren machen.
»Bevor wir uns mit den Damen befassen, wollen wir uns einen Moment dem Mann der Stunde zuwenden. Wie geht es Ihnen heute Abend, Prinz Maxon?«, sagte Gavril und trat auf den Prinzen zu. Maxon war offensichtlich nicht auf das Interview vorbereitet, denn er hatte kein Mikrofon.
Bevor Gavril sein eigenes zückte, schaute Maxon zu mir herüber, und ich zwinkerte ihm zu. Diese kleine Geste genügte, um ihn zum Lachen zu bringen.
»Sehr gut, Gavril, danke der Nachfrage«, antwortete der Prinz.
»Fühlen Sie sich denn wohl mit den Erwählten?«
»Ja, sehr. Es ist mir ein Vergnügen, all die jungen Damen kennenzulernen«, sagte Maxon.
»Und sind sie alle so sanft und liebenswürdig, wie sie scheinen?«, fragte Gavril. Ich musste unwillkürlich grinsen, weil ich wusste, dass es nicht ganz aufrichtig wäre, wenn Maxon die Frage bejahte.
»Äm?…« Maxon schaute an Gavril vorbei zu mir. »Fast alle.«
»Fast alle?«, wiederholte Gavril erstaunt. Er wandte sich zu uns. »Ist eine von Ihnen etwa unartig?«
Zum Glück kicherten nun alle, und ich tat es ihnen gleich. Dieser Verräter!
»Was haben denn die Mädchen getan, die nicht sanft oder liebenswürdig waren?«, hakte Gavril nun nach.
»Ja, lassen Sie mich berichten.« Maxon lehnte sich entspannt zurück und schlug die Beine übereinander. So lässig hatte ich ihn noch nie zuvor gesehen. Diese Seite an ihm gefiel mir, und ich hätte sie gerne öfter erlebt. »Eine von ihnen hat es gewagt, mich bei unserem ersten Treffen regelrecht anzuschreien. Ich bekam ordentlich Schelte.«
Der König und die Königin warfen sich einen Blick zu. Sie hörten diese Geschichte offenbar zum ersten Mal. Die
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