Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
hockten auf Ästen und künstlichen Felsvorsprüngen ausgestopfte Hasen, graue und weiße Frettchen, Iltisse und Rebhühner.
Es roch nach überbackenem Käse, Bratäpfeln und etwas, was Franziska nicht benennen konnte, vermutlich ein Wildgericht. Aus den Tiefen des Hauses drang das Geräusch von klappernden Tellern und leisen Gesprächen zu ihnen.
Nachdenklich betrachtete die Kommissarin die ausgestopften Tiere. Sie wirkten, als könnten sie jederzeit davonhuschen, und ihre Glasaugen schienen eigenartig hinterhältig und tückisch zu blinzeln.
»Das kann er, der Luck«, stellte Adolf Schmiedinger fest. »Das muss man ihm lassen. Dafür hat er auch schon Preise gekriegt und der alte Graf Narco von Landau, was ja der Großvater von der Freundin von dem Bürgermeister seinem Sohn ist, der hat seinen Lieblingshund und einen Bären vom Reschreiter ausstopfen lassen. Natürlich erst, als die beiden schon tot waren.« Er lachte.
In diesem Moment kam der Bürgermeister. Er wischte sich mit einer Stoffserviette den Mund ab. »Kaffee?«, wollte er wissen und ging ihnen voraus in den Salon.
Mit einer großzügigen Geste stellte er die Anwesenden vor: »Die Kommissarin aus Landau, Frau Hausmann, wenn ich mich nicht irre, mein Sohn Johann-Theodor und seine Verlobte, Gräfin Selma von Landau, meine Gattin, und das hier ist der Schmiedinger Adolf, unser Dorfpolizist.«
»Polizeiobermeister«, stellte Franziskas Begleiter klar und gab als einziger der Verlobten des Bürgermeistersohns die Hand.
»Also, wo brennt’s? Wieder mal eine kleine Leiche im Keller?« Markus Waldmoser lachte ein wenig zu laut. »Wenn schon extra die Polizei aus Landau kommt. Aber einen kleinen Kaffee können wir doch vor unseren Ermittlungen noch trinken, oder? Elise, nun mach schon.«
Die Gattin verschwand in der Küche. Sehr steif und sehr gerade saß das knochige adlige Fräulein auf dem beigen Ledersofa und suchte den Blick ihres zukünftigen Mannes.
Der fragte von oben herab: »Und was gibt’s?«
Franziska fragte sich, seit wann dieses geschniegelte Bürschlein sein Gutsherrengehabe schon drauf haben mochte. Verliebt war er eindeutig nicht in seine Zukünftige, dafür schmachtete die ihn umso mehr an.
»Wir bräuchten Amtshilfe beim Verhören vom Reschreiter Luck«, erklärte Schmiedinger.
»Dieser sture Bock«, pflichtete der Bürgermeister ihm bei. »Wenn der nicht will, dann will er nun mal nicht. Was hat er denn jetzt verbrochen?«
»Irgendwer hat ihm ang’schafft, die Hexenfinger zu verteilen, Sie wissen schon, die Patronenhülsen von den Schrotkugeln. Und wer das war, das will der uns ums Verrecken ned erzählen«, beklagte sich Adolf Schmiedinger.
Mit zitternden Händen stellte Elise Waldmoser das Kaffeegeschirr auf den Tisch. Das Porzellan klingelte gefährlich, und aus dem Milchkännchen tropfte Flüssigkeit auf die Tischdecke.
Franziska nahm das Ehepaar Waldmoser in den Blick und war sich sicher, dass deren hübscher und offensichtlich intelligenter Sohn keinesfalls aufgrund einer Vereinigung dieser beiden ins Leben gekommen sein konnte. Er hatte weder das Laute und Plumpe seines Vaters noch das Verdruckste und Schiefe seiner Mutter. Herr und Frau Waldmoser hatten auffallend schlechte Zähne, unregelmäßige Gesichtszüge, befremdend runde Gesichter und ungewöhnlich große Ohren. Ihr gemeinsames Kind jedoch, Johann-Theodor, hätte, ebenso wie Franziskas Kollege Bruno Kleinschmidt, als Model durchgehen können. Ein Mann wie aus dem Versandkatalog. Mit gerader, leicht römischer Nase und gleichmäßigen, mittelgroßen, eng anliegenden Ohren. Die Kommissarin dachte an das Gläserne Vilstal und an das kleine rote Fragezeichen über Elises Namen. Vermutlich hatte Günther mit seiner Vermutung recht gehabt. Bei der Entstehung des kleinen Johann, der sich nun großspurig Johann-Theodor nannte und bald in den Adelsstand aufsteigen würde, waren eindeutig nicht nur Waldmosergene im Spiel gewesen.
Der attraktive junge Mann hätte jede haben können, und es schien Franziska recht offensichtlich, dass er die Gräfin wegen ihres Titels und ihres Geldes ehelichte. Und Selma wiederum würde mit seinen Genen vielleicht die wenig schmeichelhaften äußeren Kennzeichen der Grafen von Landau neutralisieren: ein kleines, spitzes Gesicht mit hervortretenden blassen Augen, ein fliehendes Kinn und eine ungewöhnlich lange und dünne Nase.
»Den schnapp ich mir aber«, verkündete der Bürgermeister mit lauter Stimme. »Der Luck hat vermutlich
Weitere Kostenlose Bücher