Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
die Hand. Die Bezeichnung »Kollege« schien Schmiedinger zu schmeicheln, er reckte die Brust und stolzierte in seine Amtsstube, um den erwähnten Tagesgeschäften nachzugehen.
Franziska Hausmann blieb neben dem Bürgermeister in dessen dunkelgrüner Limousine sitzen, die er sich garantiert passend zu seiner Jagdausrüstung gekauft hatte, und meinte: »Wir sollten noch mal über Ihre Jagd am vergangenen Samstag reden. Die Jäger haben wir schon überprüft, was mich jetzt noch interessiert, sind die Treiber.«
»Aber darüber hab ich doch schon mit Ihrem Kollegen gesprochen.« Waldmoser klang ungeduldig.
»Ja, ich weiß. Verstehen Sie, ich hab mir das Gespräch angehört und das Band auch transkribieren lassen, und dabei ist mir eine Ungereimtheit aufgefallen. Die würd ich halt gern mit Ihnen klären. Jetzt, da ich grad hier bin.«
»Alles klar, kein Problem.«
Auf dem Weg zum Rathaus grüßte er aus seinem Auto heraus zwei einsame Spaziergänger und jeden entgegenkommenden Wagen. Franziska hätte sich nicht gewundert, wenn er zusätzlich alle Hunde und Katzen namentlich begrüßt hätte. Dies war sein Reich, und alle, die sich darin bewegten, waren seine Untertanen.
Als er die Tür zu seinen Amtszimmern öffnete, sprang Olga Oblomov auf. Dabei fielen ein Buch und ihr Headset zu Boden.
»Ja, machst du denn gar keine Mittagspause?«, fragte Markus Waldmoser besorgt und tätschelte seiner engsten Mitarbeiterin die Schulter. »Du solltest mal an die frische Luft gehen. Der Winter wird noch lang genug sein! Manchmal mein ich, ich kann ihn schon riechen.«
Sie wurde rot und bückte sich. Franziska sah, dass die Oblomov sich mit einem Selbstlernkurs beschäftigt hatte: »Bulgarisch für Kaufleute«. Die dazugehörige CD steckte noch in ihrem Rechner.
»Es gibt ja immer mehr Erntearbeiter aus dem Osten«, erklärte der Bürgermeister seiner Besucherin die Weiterbildungsmaßnahme seiner Assistentin, während Olga in der kleinen Teeküche zwei Cappuccini zubereitete. »Da bin ich gottfroh, dass ich meine Olga hab. Die spricht nicht nur deutsch, sondern auch polnisch und rumänisch, und wenn demnächst dann die Bulgaren kommen, kann sie mit denen auch verhandeln, deswegen lernt die jetzt so viel. Muss ja alles vertraglich geregelt sein. Ohne Vertrag pflücken die keine Gurke und stechen die nicht einen einzigen Spargelstängel. Und dann das G’schiss mit den blöden Aufenthaltsgenehmigungen und Versicherungen, ach, besser, wir reden gar nicht darüber.« Er seufzte.
»Können wir noch mal über Ihre Treiber sprechen?« Franziska zückte ihren Notizblock.
»Ja, logisch – Olga? Sei so gut und druck noch mal die Einladungslisten vom letzten Samstag aus.«
»Die von der Jagd?«
»Akkurat die.«
Franziska fragte sich, ob der Bürgermeister bei den Dienstleistungen seiner Sekretärin ordentlich zwischen amtlich und privat unterschied, ahnte aber, dass ausnahmslos alles, was Olga für ihren Chef erledigte, vom Steuerzahler vergütet wurde.
Abgesehen von dem riesigen wuchtigen Schreibtisch und dem Ledersessel war Waldmosers Amtsstube wie ein Wohnzimmer eingerichtet und mit persönlichen Dingen vollgestellt.
Markus Waldmoser war schon seit Ewigkeiten Bürgermeister, wie sein Vater es bereits gewesen war und sein Großvater, und vermutlich könnte Waldmosers Sohn problemlos in die Fußstapfen seines Vaters treten, wenn er wollte. Ein geradezu monarchisches Prinzip. So war der Lauf der Dinge, wenn man jener Partei angehörte, die hier immer die Mehrheit hatte.
Die Kommissarin ging an den holzvertäfelten Wänden entlang und betrachtete die in die Kassetten eingelassenen Bilder. Sie erzählten die Geschichte der Gemeinde, aber auch die Biografie der Familie Waldmoser. Dabei entdeckte sie das Hochzeitsbild von Markus und Elise. Es steckte in einem ovalen Passepartout und war mit dem Datum der Eheschließung versehen. Erneut studierte sie die Gesichtszüge des jungen Paares auf der Suche nach Gemeinsamkeiten mit ihrem Sohn, wurde aber nicht fündig. Ebenso wenig wie bei den Großeltern und Urgroßeltern des jungen Waldmosers. Keiner von ihnen hatte die feingeschnittenen Züge von Johann.
»Sie haben nur diesen einen Sohn?«, wandte sie sich an den Bürgermeister.
Der nickte. »Leider. Von der Sorte könnte die Welt durchaus mehr gebrauchen. Aber es hat schon ewig gedauert, bis meine Elise endlich schwanger wurde. Extra zur Kur geschickt hab ich sie noch, nicht nur wegen ihrem Arm und ihrer Schulter, sondern auch wegen
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