Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
Latexhandschuhe über. Dann gab sie ein paar Scheiben Früchtebrot in eine Plastiktüte. »Ich lass das mal untersuchen.«
Er nickte und stellte für sie beide eine Brotzeit zusammen.
»Danke«, meinte sie. »Aber ich muss bald wieder weg.« Sie griff zu ihrem Handy.
Die wenigen Male, da sie ihn nicht sofort erreicht hatte, hätte sie an einer Hand aufzählen können. Aber heute war Gustav Wiener definitiv nicht in seinem Keller. Nicht an seinem Arbeitsplatz. Das Telefon klingelte ins Leere. Nicht einmal der Anrufbeantworter war aktiviert. Gut, es war Samstag, aber nutzte er nicht gerade die Wochenenden, um den Papierkram zu erledigen und Berichte zu schreiben? Das hatte er zumindest immer gesagt.
Franziska seufzte, griff zu dem Kaffee, den Meinrad vor sie hingestellt hatte, und wählte die auf ihrem Handy eingespeicherte Mobilnummer des Rechtsmediziners. Hoffentlich war ihm nichts passiert.
»Ja?« An der Art, wie er sich meldete, erkannte sie, dass er nicht oft mit seinem Handy telefonierte, auch hörte es sich so an, als führe er nun an den Straßenrand, um in Ruhe sprechen zu können. Sie wartete.
»Ja, Frau Hausmann?« fragte er erneut.
»Wo stecken Sie?«
»Auf dem Weg nach Kleinöd.«
»Was?«
»Ja, ich muss da doch was bezeugen. Am Brunnerhof. Hab mich halt auf diesen Quatsch eingelassen, hab ja sonst nichts zu tun.« Er schien zu lachen.
»Stimmt, das hatte ich ganz vergessen. Dann warte ich hier auf Sie«, sagte Franziska und beendete das Gespräch.
»Dann mach ich jetzt doch mit Ihnen Brotzeit«, erklärte sie lächelnd.
»Danke«, murmelte Meinrad. »Vielen Dank. Jetzt nicht allein zu sein, hilft mir sehr.«
»Die Moosthenningerin hat den Dr. Wiener hierherbestellt, wussten Sie das?« Lustvoll bestrich Franziska eine Scheibe Brot mit Butter und Leberwurst.
Er nickte. »Ja. Und auch den Dr. Wild und dazu dann auch noch ihren Geometer. Aber den nur deshalb, weil der arme Mann Gicht hat. Um vier soll hier nämlich ein Wunder stattfinden.« Er sagte es so, als seien Wunder für ihn absolut alltäglich.
Franziska sah auf ihre Armbanduhr. Es war genau fünfzehn Uhr zwanzig.
Etwa vier belegte Brote und ebenso viele Tassen Kaffee später sah sie drei Autos die Straße hochkommen und die Abzweigung zum Brunnerhof nehmen. Der graue Passat von Gustav Wiener allerdings war noch nicht dabei.
Dem ersten Wagen entstiegen Martha Moosthenninger und ihr junger Ordensbruder. Die Schwester des Pfarrers winkte der Kommissarin begeistert zu. »Das ist ja wunderbar, dass Sie auch als Zeugin dabei sein wollen. Gell, so ein Wunder kriegt man halt nicht jeden Tag geboten.«
Der junge Mann an ihrer Seite warf einen begehrlichen Blick auf das Brotzeittablett.
»Kommen Sie, stärken Sie sich«, ermunterte Meinrad ihn und fügte mit einem Seitenblick auf Franziska hinzu: »Das hier können Sie guten Gewissens essen. Davon wird Ihnen nicht schlecht.« Ägidius Alberti ließ sich das nicht zweimal sagen und griff herzhaft zu.
Irritiert betrachtete Martha Moosthenninger den ewig Hungrigen. Der hatte doch heute früh schon neun belegte Semmeln verputzt. Gut, dass gerade jetzt nur Auswärtige zugegen waren. Jeder Kleinöder hätte nämlich im Dorf das Gerücht verbreiten können, Martha ließe ihre Gäste verhungern.
Sie wandte sich an den Geometer. »Haben Sie Ihr Attest dabei?«
Der kleine drahtige Mann mit dem Kugelbauch nickte amüsiert. »Klar, Chefin.« Er beugte sich zu seiner Aktentasche auf dem Beifahrersitz. Franziska hatte den Eindruck, dass niemand außer Martha Moosthenninger den erwarteten Wunderbeweis wirklich ernst nahm.
Während er mit knotigen Händen sein Papier entfaltete, verkündete der Geometer laut: »Das eine sag ich Ihnen, wenn meine Schmerzen hier erneut verschwinden, dann will ich eine Dauerkarte für Ihre zukünftige Heilquelle.«
Sie riss ihm das Blatt aus der Hand und stürzte damit zum Fahrer des dritten Wagens. Der war noch nicht einmal richtig ausgestiegen. »Schauen Sie, Herr Dr. Wild, das da sind die Blut- und Harnwerte von meinem Geometer, und seine Finger können Sie sich ruhig auch anschauen, lauter Knoten, wie aus dem Bilderbuch. Ganz dicke Gelenke. Na?«
Sie sah den Landarzt herausfordernd an. Der warf nur einen Blick auf die Diagnose und murmelte: »In der Tat. Katastrophale Blut- und Harnwerte, chronische Arthritis.« Dann blickte er hoch. »Ja, die Gichttophi kann ich schon von hier aus sehen. Und den wollen Sie heilen? Mein lieber Schwan, dem wird wirklich nur ein
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