Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
Zumindest im Hintergrund. Ich kann mich nicht erinnern, den auch nur einmal gesehen zu haben.«
»Du wirst es nicht glauben. Aber selbst dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung. Der Bub war in genau der Zeit zwölf lange Monate in Kanada. Austauschjahr mit Sprachexamen in Montreal. Du weißt schon, so ein zukünftiger Graf muss sich ja auch auf dem internationalen Parkett gut bewegen können. Entsprechende Diplome hängen in Waldmosers Bürgermeisterbüro hinter Glas.«
Bruno seufzte: »Tja. Jetzt müssen wir nur noch den Mord an deiner Malwine klären.«
»Wenn es überhaupt ein Mord war«, murmelte Franziska nachdenklich. »Ich hab nämlich keine Ahnung, wie jemand der Malwine unbemerkt die giftigen Pfaffenhütchen eingeflößt haben könnte.«
»Ach, du meinst diese hübschen Beeren? Sind die denn tatsächlich so giftig?«
»Ja. Gustav hat mir einen ganzen Vortrag darüber gehalten. Doch das erzähl ich dir morgen. Jetzt will ich erst einmal heim.«
»Gut. Ich setz dich zu Hause ab, und dann schreib ich noch schnell das Protokoll.«
Auf seinem Schreibtisch lag ein offizieller Brief. Er sah nicht aus wie die Ankündigung einer Beförderung oder einer Gehaltserhöhung. Bruno hatte die dumpfe Ahnung, dass der Inhalt des Schreibens unangenehm sein würde.
Er schob ihn beiseite, fuhr seinen Computer hoch und hackte in aller Eile das Vernehmungsprotokoll in den Rechner. Jetzt war es schon fast zweiundzwanzig Uhr. Ein langer Arbeitstag.
Mit einer Zigarette im Mundwinkel verließ er das Büro und öffnete draußen im Rauchereck den Umschlag und ärgerte sich noch mehr, als er befürchtet hatte.
Dann fuhr er heim und öffnete nur für sich eine Flasche Rotwein.
Kapitel 19
Wenn Martha Moosthenninger auf einem Gebiet eine echte Expertin war, dann darin, wie man eine Beerdigung korrekt ausrichtete. Aber man fragte sie ja nicht. Einzig bei der Trauerfeier ihrer Freundin Agnes hatte sie all ihr Wissen einbringen können, und das war in der Tat das schönste Leichenbegängnis seit Langem gewesen – allerdings mit dem bitteren Nachteil, dass Agnes, Marthas beste Freundin, nun nicht mehr unter den Lebenden weilte.
Die Trauerfeier für Dr. Günther Hellmann war nicht korrekt ausgerichtet. Martha stand in der siebten Reihe links vom Mittelgang. Vor ihr die Trauernden, fast lauter fremde Gesichter, von denen sie einzig Gertraud, Charlotte und Bernhard Döhring kannte, und natürlich das heute ausnahmsweise mal nicht rosa gekleidete Kind. Daneben einige bebrillte Büromenschen mit blassen Gesichtern, schmalen Händen und abweisenden Mienen.
Die Kirche war ein Schiff Gottes, das über die Meere des Schicksals in die ewige Seligkeit segelte. Rechts saßen die Männer, links die Frauen. Dass Bernhard Döhring neben Charlotte Rücker auf der linken Seite saß, brachte die vertraute Ordnung durcheinander.
Ganz hinten rechts, auf der richtigen Seite, stand Meinrad Hiendlmayr. Er war also doch gekommen. Sie hatte sich umgedreht und ihm dankbar zugelächelt.
Dann kam die Kommissarin. Typisch. Die hatte natürlich keine Ahnung und stellte sich neben Meinrad. Wo sie doch eigentlich auf die linke Seite gehörte. Martha seufzte und konzentrierte sich auf die Rede ihres Bruders.
Er verfügte über die Fähigkeit, mit barmherzigen Worten die Unvollkommenheit der Trauerfeier und das Fehlen von Sterbebildchen zu überspielen. Alles, was er sagte, glich einer heilenden Salbe für verwundete Seelen, war im wahrsten Sinne des Wortes salbungsvoll. Es wurde viel geweint. Vor allem Gertraud Halber schluchzte so herzerweichend, dass ihr immer so fröhliches Kind ebenfalls zu weinen begann.
Statt zwei Hochzeiten nun zwei Trauerfälle, dachte Martha eigenartig bewegt. Denn war nicht um den Hochzeitstermin von der Halber und dem Hellmann ein Streit mit dem Bürgermeistersohn und dessen Gräfin entbrannt? Ob wohl auch der Bürgermeister kommen würde? Es ging das Gerücht, Elise Waldmoser sei gestern zur Kommissarin und deren Begleiter ins Auto gestiegen. Ach ja, es wurde ja so viel geredet und gemunkelt. Viel zu viel. War Elise Waldmoser etwa eine Kronzeugin? Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen.
Martha konzentrierte sich auf ihr Gebet und hielt insgeheim mit Agnes Zwiesprache. »Sieh bloß zu, dass das heute Nachmittag auch wirklich ein Wunder wird! Bitte!«
Der Abgesandte des Bischofs war an diesem Vormittag zwischen einem Berg belegter Semmeln am Küchentisch des Pfarrhauses zurückgelassen worden und schrieb an seinem
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