Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
wie wir so reden, da sagt der doch, dass noch ein paar Fragen offen sind in seinem Projekt, und ob ich mir das nicht mal anschauen mag. Weil, es ist sein Lebenswerk.« Sie schluchzte auf. »Was ist das für ein Lebenswerk von einem, wenn er damit das Lebensglück anderer Leute kaputtmacht?«
»Was war dann?« Franziska blieb ganz ruhig.
»Dann«, sagte Elise und drückte die Zigarette aus, »dann holte der so ein Papier aus der Tasche. Ich hab mir immer noch nix dabei gedacht. Aber da stand alles von uns drauf. Alles! Aber was geht den unsere Familie an? Rein gar nix!« Zornesröte überzog ihr Gesicht. Franziska schwieg und wartete.
Die Waldmoserin seufzte aus tiefster Seele. »Das Geburtsdatum von meinem Mann und von meinem Sohn und von mir und meinen Eltern und Schwiegereltern … und von jedem auch noch der Beruf.«
»Und dann?«, fragte Bruno streng.
Elise Waldmoser schluckte und murmelte kleinlaut: »Und über meinem Namen eine gestrichelte Linie mit einem Fragezeichen. Da hab ich schon gewusst, was das heißt.«
»Und?«, preschte Bruno vor und erntete dafür einen strengen Blick seiner Kollegin.
»Von meinem Sohn, da ging eine Linie ab zur Daxhuber Corinna und von da zu der ihrem Sohn, dem Paul. Dabei kenn ich den gar nicht, hab nur sein Foto in der Zeitung gesehen, als der mal entführt worden war. Das war vielleicht ein Schock.«
»Die Entführung?«, hakte Bruno nach und sprang unmerklich zurück, als er sah, dass Franziska Anstalten machte, ihm gegen das dunkelrot behoste Schienbein zu treten.
»Ich hab doch ned g’wusst, dass mein Bub mit der Schlampen da …«, heulte die Waldmoserin auf. »Und wie der mir seine Zettel zeigt … Ich hab gedacht, der will mich erpressen. Dabei sah der gar nicht so aus. Wirklich nicht. Aber man sieht den Leuten ihre Bosheit ja auch nicht immer an.«
»Also, was wollte er?«, fragte Franziska, obwohl sie es ahnte.
»Die Wahrheit«, antwortete Elise. »Stellen Sie sich das einmal vor. Die Wahrheit. Für was denn, und wem nutzt denn die? Wahrheit, so ein Schmarrn. Wenn dann mein Mann erfahren würd, dass er gar nicht dem Johann sein Vater ist und sich das auch noch im Ort herumspricht – nein, so was mag ich mir gar nicht ausdenken. Und der Graf von Landau erst, wenn der rauskriegt, dass es schon ein Kind gibt von meinem Johann, das wird der nicht wollen. Dann wird er der Selma verbieten, unseren einzigen Sohn zu heiraten, wo ich doch schon grad die ganz besonders weißen Lilien für die Hochzeit gezüchtet hab.«
Franziska schüttelte den Kopf.
»Doch, doch«, sagte Elise Waldmoser. »Weil so ein Bankert wie der Paul, der bringt dem Narco seine Linie durcheinander. Darauf achtet der. Auf seine Linie ist er stolz, hat er immer gesagt. Der wird dann nicht zulassen, dass die Selma den Johann heiratet, wo die doch so glücklich sind miteinander, die zwei.«
»Was war am Samstag?« Bruno fixierte Elise Waldmoser, die vor sich hin schniefte. »Ich höre!« Die Sonne stand direkt in seinem Rücken. Franziska betrachtete ihn. Er sah so streng aus. Ein biblischer Rächer im Gegenlicht, umrandet von einer Aura aus tanzenden Staubpartikelchen.
»Am Samstag«, begann Elise Waldmoser, »da sind die am Nachmittag wieder hier vorbeigelaufen. Alle drei, die Halber Gertraud, der Hellmann und das Kind. Erst saß die Kleine noch im Wagen. Dann hat er sie herausgeholt und mir gezeigt, und dann fing der Schratz auch noch ein bisschen zu laufen an und hat vor Freude gequiekt. Die Charlotte hat ja schon im Dorf erzählt, dass das ein besonderes Kind ist – aber müssen die denn wirklich hier vorbeikommen und mir das so vorführen? Ein gemeiner und ein absichtlicher Hohn war das. Denn ich wusste in der Sekunde: Wenn der Hellmann sein Wissen weitergibt, krieg ich niemals Enkelkinder. Nie.«
Sie weinte erneut.
Franziska reichte ihr ein Papiertaschentuch.
Bruno rauchte seine zweite Zigarette und sah abwartend auf die sitzenden Frauen.
»Verstehen Sie, da machen die auf heile Familie und haben nichts als die Zerstörung meiner Familie im Kopf.«
Franziska nickte. »Das hat Sie ganz schön wütend gemacht.«
»Ja.«
»Und dann?«
»Ich weiß es alles nicht mehr so genau, ich dachte nur, das darf nicht sein. Gott darf Schicksal spielen, nicht aber dieser Doktor, wohnt hier nicht, hat keine Ahnung und … Das konnt ich doch nicht zulassen. Und so bin ich halt um fünf zum Blauen Vogel rüber, weil sich die Jagdgesellschaft zum Abschluss da treffen wollte.«
»Um mit Ihrem Mann
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