Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
bloß, der ist auch noch mit auf die Jagd gegangen? Der trägt doch keine Brille, sondern zwei Vergrößerungsgläser. Der sieht doch nix.«
»Ich sag’s doch. Dabeisein ist alles.« Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte Franziska. »Aber könntest du dir vorstellen, dass der sich in sein Fenster legt und auf den armen Hellmann schießt? Einfach mal schräg über die Straße hinweg?«
Bruno schüttelte den Kopf. »Nee, und warum auch?«
»Eben. Er kam später zur Unglücksstelle und war wirklich schwer betroffen. Hat immer nur gesagt: ›Das hätt’s nicht braucht, das ned auch noch!‹ Sein Sohn Beppo hat sich wirklich rührend um ihn gekümmert. Hat gesagt: ›So, Papa, nun trinkst erst mal einen Schnaps, bist ja ganz blass um die Nasen.‹«
»Der Beppo war ja auch bei der Jagd dabei«, merkte Bruno an.
»Ja, ja, der Langrieger Beppo, gehört jetzt wohl auch zum Kleinöder Establishment. Laut Daxhuber war der ziemlich schnell da, schließlich ist der freiwilliger Ersthelfer und ehrenamtlich beim Roten Kreuz. Der hat gleich Erste Hilfe angeboten. Doch es war schon zu spät. Gustav Wiener hat dann auch gesagt, dass es ziemlich schnell gegangen sein muss. Der arme Hellmann hat vermutlich den Knall gehört, im gleichen Moment einen Wahnsinnsschreck und einen plötzlichen Schmerz verspürt, und in der Sekunde, als er sich umdrehte, war er auch schon bewusstlos. Er ist innerlich verblutet. Also der Beppo als Mörder? Nein! Der schießt vielleicht mal auf einen Hasen oder in die Luft, aber niemals auf einen Menschen.«
»So seh ich das auch. Wen haben wir dann noch im Angebot?«
»Den Sohn des Bürgermeisters«, seufzte Franziska. »Der war mal wieder aus München angereist und hat mit seinem Papa Hof gehalten. Schließlich heiratet er demnächst in Adelskreise ein und rekrutiert sich vermutlich jetzt schon seinen Hofstaat. Unsere Experten Schmiedinger und Daxhuber haben grad noch seine Knarre und seine Fingerabdrücke sichern können, bevor der wieder mit seinem silbergrauen BMW nach München zurück ist. Dieser Wichtigtuer wird ja wohl mitsamt seines gräflichen Titels der nächste Chef vom Dorf und muss rechtzeitig in die Arbeit mit den Wählern eingewiesen werden.«
»Wenn die nicht doch irgendwann bei einer anderen Partei ihr Kreuzerl machen.« Bruno grinste.
»Ja, aber ob wir das noch erleben?« Franziska sah auf ihre Notizen. »Beppos Sohn war auch dabei, der Langrieger Frank. Alle drei Generationen der Langriegers hat der Waldmoser antanzen lassen. Ob das mit der nächsten Wahl zum Gemeinderat zu tun hat?«
»Garantiert.« Bruno rümpfte auf unnachahmliche Weise seine perfekte Nase. »Wenn dieser Bürgermeister gute Werke tut, dann niemals uneigennützig. Aber das Langrieger-Bürscherl? War der nicht damals auch in diese schreckliche Sache mit den Rechtsradikalen verwickelt?«
»Ja, das war er. Ebenso wie der jetzige Ziehsohn unseres Kollegen Schmiedinger. Pirmin heißt der, kannst du dich noch an den erinnern?«
Bruno nickte.
»Also, der Pirmin war definitiv nicht dabei«, erklärte Franziska. »Damals, nach dieser Geschichte im Bauwagen, haben alle Jungs uns geschworen, sich nie wieder auf was Ungesetzliches einzulassen. Und ehrlich gesagt, das nehm ich ihnen ab. Ganz unter uns: Traust du das dem Langrieger Frank zu? Dass er mit der Knarre ans Fenster geht und kaltblütig den Hellmann abknallt?«
»Nein. Aber wie ich schon sagte, das trau ich niemandem auf deiner Liste zu. Oder könntest du dir etwa vorstellen, dass der Realschullehrer Lothar Blumentritt, Geschichtsspezialist und bekennender Pazifist, in Kleinöd als hinterhältiger Schütze auf der Lauer liegt?«
Franziska hob die Schultern. »Eigentlich nicht. Aber dass der Blumentritt überhaupt an der Jagd teilgenommen hat, das hat mich schon etwas irritiert. Weißt, ich dachte immer, Lehrer seien friedfertige Menschen und gingen uns allen mit gutem Beispiel voran?«
»Du hast vielleicht Ansichten«, belehrte Bruno sie. »Jagen ist kein sinnloses Abknallen von Tieren. Es geht vor allem darum, den Bestand zu wahren und für Ordnung im Revier zu sorgen. Bei einer Jagdprüfung wird das Hauptaugenmerk auf Hege und Pflege gelegt. Jäger sind – na ja, wie soll ich das sagen – sehr engagierte Umweltschützer.«
»Ach was?« Franziska zog ironisch die Augenbrauen hoch. »Gehörst du etwa auch dazu?«
Er wurde rot. »Ja, ich hab auch einen Jagdschein, wenn du das meinst.«
Sie nickte. »Das meinte ich. Dann greife ich nun also auf dein
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