Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
mittelmäßig ist der nicht. Der scheint von Kind an gute Gründe gehabt zu haben, sich unauffällig zu verhalten.«
Sie dachte an das Gespräch vor zwei Tagen zurück. Offenbar hatte Schmiedinger dem jungen Mann nahegelegt, sich bei »unserer Frau Hausmann« zu melden. Und zwar so schnell wie möglich.
»Sie wohnen auf dem Hof der Brunnerin?«, hatte Franziska gefragt.
Meinrad hatte genickt.
»Seit wann?«
»Am 1. Juli bin ich zu ihr gezogen. Ich wollt erst noch mein Haus verkaufen, aber das ging nicht so schnell.«
»Und warum sind Sie zu Frau Brunner gezogen?«
»Weil wir verwandt sind.« Seine Stimme hatte leise geklungen, als schäme er sich dafür oder als sei diese Verwandtschaft der Ursprung allen Unglücks.
»Verwandt?«
»Sie ist meine Tante. Ich habe es auch erst vor ein paar Monaten erfahren.«
»Und dann?« Franziskas Frage hatte strenger geklungen als beabsichtigt.
»Nichts. Diese Frau Moosthenninger, Sie wissen schon, die Schwester vom Pfarrer, also die hat uns zusammengeführt, und weil wir beide allein waren, haben wir beschlossen zusammenzuziehen. Bei ihr ist halt mehr Platz. So ist das gekommen. Außerdem mochten wir uns. Von Anfang an. Malwine war eine tolle Frau.« Er seufzte.
»Martha Moosthenninger?« Franziska hatte ungläubig den Kopf geschüttelt. »Was hat denn die damit zu tun?«
»Der ist das wohl aufgetragen worden von meiner anderen Tante, der Agnes, die ja seliggesprochen werden soll. Agnes, also Malwines Schwester, spricht wohl aus dem Jenseits zu Martha Moosthenniger und regelt solche Dinge.«
Meinrad Hiendlmayr hielt kurz inne und streichelte den Hund. Franziska beobachtete ihn genau. Glaubte er an das, was er sagte?
Ruhig fuhr er fort: »Aber auf ihre eigene Schwester scheint die da oben nicht besonders gut aufgepasst zu haben. Vielleicht wollte sie in ihrem Himmel ja auch ein bisschen Gesellschaft.« Er versuchte sich an einem Lächeln, doch es misslang. »Wissen Sie, die Malwine hat das natürlich auch nicht alles geglaubt. Nicht dass Sie denken, die sei auf diesen Quatsch abgefahren. Aber sie hat gesagt: ›Egal, ob da was dran ist – Hauptsache, wir haben zueinander gefunden.‹«
Er suchte in den Tiefen seiner Lederjacke nach einem Taschentuch und putzte sich ausgiebig die Nase.
»Wir hatten eine gute Zeit. Sie hätte nicht von uns gehen dürfen!«
»War Ihre Tante in den vergangenen Wochen anders als sonst? Hat sie Sorgen gehabt, vielleicht gesundheitliche Probleme?«
»Nein, nein, die war fit. Grad jetzt, wo sie angefangen hat zu schwimmen. Und glücklich war sie auch, zumindest hat sie das gesagt. Malwine hat mich gleich mit offenen Armen empfangen, damals, als Martha uns im Frühling miteinander bekannt gemacht hat. Es war wie ein Nachhausekommen.« Er schluckte. »Es hat gestimmt. Für uns beide.«
»Sie hatten vorher kein richtiges Zuhause«, stellte Franziska fest und wusste in dieser Sekunde, dass dies der Grund für seine Tarnkappe war. Meinrad Hiendlmayr hatte sich verstecken müssen. Um ihn herum war bedrohtes und vermintes Land gewesen, erbitterter Kleinkrieg. Wer so aufwachsen musste, verlernte es, an Schutzengel zu glauben und hatte Angst vor dem Glück.
»Jetzt hab ich auch kein Zuhause mehr«, stellte Meinrad klar. »Das ist nicht in Ordnung, dass sie gestorben ist, einfach so. Da stimmt was nicht, glauben Sie mir.«
»Haben Sie eigentlich Ihre Unterlagen dabei, ich meine, irgendetwas, was beweist, dass Sie ein leiblicher Verwandter sind?«
»Natürlich nicht. So was schleppt man ja nicht dauernd mit sich rum. Aber ich besitze einen Auszug vom Stammbaum und Kopien aus einer Seite des Hebammenbuches. Angeblich lebt auch die Ehefrau meines Vaters noch. Deren Adresse hat mir die Martha gegeben. Die Witwe meines Vaters weiß zwar von meiner Existenz, hat aber offenbar kein Interesse daran, mich zu sehen. Schon komisch, das alles.« Er war ein wenig aufgetaut. »Wissen Sie, Malwine hat immer in meinem Gesicht und in meinem Verhalten nach Zügen ihres Bruders gesucht. Ich hätte ihn gern kennengelernt, meinen Vater. Ich glaube, Malwine mochte ihn.«
In diesem Moment hätte Franziska ihm zu gerne anvertraut, dass Zweifel an einem natürlichen Tod seiner Tante bestanden und dass Gustav Wiener merkwürdige Substanzen in ihrem Körper gefunden hatte. Aber vorher musste das Verwandtschaftsverhältnis eindeutig geklärt sein.
»Können Sie morgen noch mal vorbeikommen und mir die Unterlagen vorlegen?«
Er hatte gezögert und den Kopf
Weitere Kostenlose Bücher