Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
rübergemailt – und hier ist Ihr Band.« Die rechte Faust der Besucherin schoss mit solcher Wucht vor, dass Franziska erschrocken zurückwich.
»Also, so ein komisches Band aber auch. Etwas so Eigenartiges hab ich ja noch niemals tippen müssen.« In Erwartung eines Lobes blieb die Schreibkraft vor der Kommissarin stehen. »Wissen S’, da ist ja überhaupt keine Aussage drin, kein Geständnis, kein Verdacht, nix. Nur Daten und dann so verrückte Namen. Rettenbeck, Siebengartner, Loipfinger, Waldmoser, Rammelsberger, Lehrhuber, Lattenhammer, Daxhuber, Hölzlwimmer und so weiter und so fort. Wirklich g’spaßig ist das. Was wollen S’ denn damit? Sammeln S’ wohl die lustigsten Familiennamen hier bei uns, gell? Da kann ich Ihnen gern weiterhelfen, wissen S’, da, wo ich herkomm, also da wohnen Leut, naa, die nennen sich …«
Franziska unterbrach ihren Redeschwall mit einem eiskalten »Danke für Ihre Mühe und für das Band« und legte Letzteres demonstrativ in ihr Diktiergerät zurück.
Sie suchte in ihren Mails nach dem Eingang des Manuskriptes, fand es, fixierte die energisch nickende Frau und fügte hinzu: »Genau, da ist es ja. Gut, dann brauche ich Sie nicht mehr.«
Ihr Gegenüber presste die Lippen aufeinander, warf den Kopf in den Nacken und stolzierte davon.
Franziska widmete sich dem Manuskript und starrte auf jene siebzehn Namen, die in Günther Hellmanns Gläsernem Vilstal mit Rötelstrichen verbunden gewesen waren. Siebzehn Schicksale, zu denen er recherchiert hatte – hinter all diesen Namen verbargen sich Menschen, und einem davon schienen die Aktivitäten des Ahnenforschers gar nicht recht gewesen zu sein.
»Was hast Du denn mit der angestellt?« Bruno kam herein und setzte sich feixend vor Günthers Computer.
Franziska hob die Augenbrauen. »Mit wem?«
»Mit der Schreibkraft vom Chef. Die stand vor unserer Tür und schimpfte laut vor sich hin.«
»Ich habe ihr wohl zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.«
»Das war unklug«, belehrte er sie. »Ich musste mit ihr flirten, um sie wieder zu beruhigen. Denn wenn die’s der Chefsekretärin steckt, und das macht die garantiert, dann werden wir in Zukunft unsere Bänder wieder selbst abtippen können. Wo wir es doch grad erst durchgesetzt haben, ab und zu mal eine Audiodatei rübermailen zu dürfen. Außerdem tippen die beiden Damen viel schneller als ich.«
Franziska hörte gar nicht richtig hin. »Es soll schon Computer geben, die auf Zuruf schreiben, hat mein Mann neulich gesagt. Möchte nicht wissen, was für ein Quatsch dabei rauskommt!«
»Außerdem könnten die uns richtig kontrollieren, von wegen Dienstbeginn und so«, baute Bruno seine Befürchtungen aus.
»So ein Schmarrn.« Sie schüttelte den Kopf. »Wir werden für unseren Verstand bezahlt – nicht dafür, dass wir zu festen Zeiten unseren Hintern auf einen Bürostuhl setzen. Außerdem bin ich so gut wie immer um halb acht an meinem Schreibtisch. Was man von dir ja nicht gerade behaupten kann.«
»Man wird sehen.« Er seufzte und sah auf den Hellmannschen Computer, der inzwischen hochgefahren war. »Ich hab übrigens auf diesem Rechner ein supertolles Genealogieprogramm gefunden. Das hat unser Ahnenforscher wohl selbst entwickelt. Am liebsten würde ich es klauen und patentieren lassen.« Er bemerkte Franziskas missbilligenden Blick. »Keine Angst! Also oben rechts ist ein Suchfeld, und wenn du da einen Familiennamen eingibst, zack, hast du den ganzen Stammbaum dazu. Praktisch, oder? Im Grunde genommen kannst du dir mit dieser Software die ganze Grafik, die der sich an seine Zimmerwand gemalt hat, in Ausschnitten wieder ranzoomen. An der Wand ist halt die eigentliche Übersicht. Dafür haben wir hier eine in Abschnitten gegliederte Kopie des Stammbaums seit Anno 1067.«
Er bearbeitete die Tastatur des Computers und meinte dann: »Schau mal, wenn ich Kleinschmidt eingebe, taucht als Erstes mein Ururgroßvater auf, ein Küfermeister, der sich hier um 1830 ein Haus gekauft und die gute Maishuber Augusta aus Neuölling geheiratet hat. Die beiden haben dann dafür gesorgt, dass der Stamm der Kleinschmidts gewachsen ist und sich entfaltet hat.«
»Und wie viele seid ihr jetzt?«
Bruno zählte eine Zeit lang. »Wenn ich nach dem hier gehe, gibt es dreiundzwanzig lebende Kleinschmidts im Vilstal. Und weißt du was, ich kenne höchstens die Hälfte. Du weißt schon, das sind die üblichen Angehörigen, die man auf Beerdigungen trifft.«
»Das glaub ich dir gern.« Sie steckte
Weitere Kostenlose Bücher