Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
buschiges kastanienrotes Fell glänzte in der Sonne.
»Kaffee?«, fragte die Kommissarin. »Ich lad Sie ein.«
Gertraud nickte.
Schweigend stiegen sie in Franziskas Wagen und fuhren in die Innenstadt. Sie entschieden sich für Kerstins Café mit Blick auf Arbeitsamt und Landratsamt, und während Gertraud ausgiebig die Speisenkarte studierte, um letztendlich doch nur eine Apfelschorle zu bestellen, legte Franziska den Umschlag mit sämtlichen Vollmachten auf den Tisch, alle in doppelter Ausfertigung.
Gertraud las sie durch, unterschrieb die Dokumente und gab jeweils einen der signierten Verträge an Franziska zurück.
»Und jetzt?«, fragte sie dann.
»Jetzt liegen alle Entscheidungen bei Ihnen. Wenn es Ihnen recht ist, würd ich gern mit Ihnen in die Wohnung fahren. Hier sind die Schlüssel.«
»Ja bitte, kommen Sie mit. Ich war noch nie bei ihm zu Hause. Er hat immer gesagt, dass er dort nicht lebt, sondern nur arbeitet.«
Franziska beugte sich vor und suchte Gertrauds Blick. »Nun, da Sie alles regeln und alle Rechte haben, wird jeder meinen, dass Sie die Witwe sind.«
»Die bin ich ja auch, wir wollten heiraten«, schluchzte Gertraud und stand auf. »Jetzt wird Eulalia als Engelchen an seinem Grab stehen und Blumen streuen. Dabei sollte sie das an unserer Hochzeit tun. Wir hatten uns schon so darauf gefreut.«
»Gab’s denn schon einen Termin?«
»Ja, den siebzehnten Mai. Wir wollten am selben Tag heiraten wie der Waldmoser Johann, der Sohn vom Bürgermeister. Das war vielleicht ein Zufall! Wir hatten schon den Blauen Vogel gebucht, und dann kam er zu uns und wollte, dass wir unsere Hochzeit verschieben. Aber das haben wir natürlich nicht gemacht. Nur weil der da seine adlige Langnase heiratet, sollen wir zurückstecken? Naa. Da hat er angefangen zu jammern, seine Mutter würd extra für diesen Tag ganz besonders duftende Lilien züchten in ihrem Glashaus. Die würden grad an diesem Tag in voller Blüte stehen, und das müsse ich doch einsehen. Bei uns würd ja nix anbrennen, das Kind sei ja eh schon da. Eine Unverschämtheit.« Sie klang jetzt noch ärgerlich.
»Der heiratet also in den Adelsstand hinein«, konstatierte Franziska, die diese Information bisher eher für ein Gerücht gehalten hatte.
»Ja, und zwar die Enkelin vom Grafen Narco von Landau. Die hat acht verschiedene Vornamen, aber man darf sie beim ersten nennen. Und der ist Selma. Die ham sich beim Studieren kennengelernt. Jura. Der Johann will den Namen seiner Frau annehmen und seinen Vornamen auf Johann-Theodor umschreiben lassen. Als Jurist hört sich das ja auch viel besser an.« Sie schwieg einen Augenblick und fügte nachdenklich hinzu: »Sie würden doch auch lieber zu einem Anwalt gehen, der Johann-Theodor Graf von Landau heißt, als zu einem, der nur Waldmoser Johann in seinem Briefkopf stehen hat, oder?«
Franziska versuchte ein Lächeln und dachte an die gestrichelten und durchgezogenen roten Linien im Wohnzimmer des Ahnenforschers. Der Stamm der Grafen von Landau war dort prominent vertreten. Vermutlich gab es da auch ein paar rote Linien. Gut, dass der Raum noch versiegelt war.
In ihrer Phantasie sah sie den unehelichen Sohn des jungen Waldmoser, den kleinen Daxhuber Paul, salutierend und im Matrosenanzug vor dem gräflichen Brautpaar stehen. Das gäbe einen schönen Skandal. Denn garantiert hatte der Jurastudent nicht einmal seinen Eltern von der Existenz dieses Kindes erzählt, geschweige denn seiner zukünftigen Frau. Sie fragte sich, wie Günther Hellmann das herausgefunden haben mochte. Selbst Paulchens Großeltern, Ottilie und Eduard Daxhuber, wussten offensichtlich nicht, wer der Vater ihres Enkels war.
Die Kommissarin erinnerte sich, dass sich um dessen Herkunft die abenteuerlichsten Gerüchte rankten. Angefangen vom Ministerpräsidenten bis hin zu einem gefeierten Popstar kam jeder, der Rang und Namen hatte, als Paulchens Vater infrage. Und dann war es doch nur dieses charakterlose Waldmoser-Bürscherl gewesen. Und wer würde dafür sorgen, dass die rote Linie, die den Waldmoser Johann mit der Daxhuber Corinna verband und die zu dem gemeinsamen Kind Paul führte, nicht in den Stammbaum der Grafen von Landau einging? Sie schüttelte den Kopf. Sehr eigenartig, das Ganze.
»Also, ich für meinen Teil glaub ja, dass so ein Adliger auch heutzutag schon noch mehr Respekt bekommt als die ganz normalen Leut«, fuhr Gertraud fort. »Und die Grafen von Landau, wissen Sie, schön sind die ja nicht. Haben alle so ein
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