Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
Je mehr Informationen sie hatten, desto schneller könnte der Fall gelöst werden.
Möglicherweise gab es ja doch irgendeine bisher unbekannte Verbindung zwischen Günther und Malwine? Die Tatsache, dass über den Genealogen der Kontakt zwischen Meinrad Hiendlmayr und Malwine hergestellt worden war, konnte doch wohl nicht so einen Hass auslösen, dass Dr. Hellmann erschossen werden musste? Und warum war Malwine vergiftet worden? Und womit?
Franziska warf die Espressomaschine an.
Gerade als ihr Cappuccino in die bereitgestellte Tasse lief, klingelte ihr Telefon.
Es war Edwin Hellmann, und er kam gleich zur Sache.
»Hören Sie, ich war heut früh auf dem Amtsgericht und hab mir den Erbschein besorgt. Damit wir die Sache schnell über die Bühne bringen: Die Vollmachten hat meine Sekretärin auch gleich vorbereitet. Was ich jetzt von Ihnen brauche, ist der Name der Verlobten, am besten gleich alles: Name, Geburtsdatum und Adresse. Ihre Adresse habe ich ja. Unser Bote bringt Ihnen dann heut Vormittag noch die Papiere vorbei und …«
Franziska schüttelte den Kopf. Sie fasste es nicht. Der konnte es ja kaum erwarten, seinen toten Bruder loszuwerden, und anstatt alles einem Bestattungsunternehmen zu übertragen, wollte er – wegen der persönlichen Note oder aus was für welchen Gründen auch immer –, dass die verwitwete Verlobte die Dinge regelte.
»Herr Hellmann, sorry«, unterbrach sie ihn. »Aber ich habe noch gar nicht mit der jungen Frau gesprochen.«
Mit befehlsgewohnter Stimme stellte er klar: »Gut, dann sprechen Sie jetzt mit ihr und rufen mich zurück, sobald alles klar ist. Ich kann die Vollmachten nämlich erst unterschreiben, wenn sie ausgedruckt sind – und ausdrucken lassen kann ich sie erst, wenn Namen und Daten korrekt eingetragen sind. Am besten geben Sie die Informationen direkt an meine Sekretärin«, er diktierte ihr eine Telefonnummer, die sie absichtlich nicht mitschrieb, und fuhr fort: »Meine Frau und ich wünschen, dass die Verlobte meines Bruders den ganzen Kram abwickelt. Dafür erhält sie den Wagen, und sie sollte auch die Wohnung leer …« Er stutzte kurz. »Das war doch eine Mietwohnung, oder?«
Franziska nickte, und obwohl er es nicht sehen konnte, tat er so, als habe sie ihm zugestimmt. »Sie sollte auch die Wohnung leer räumen. Genau. Und Sie vermitteln ihr das – irgendwie.«
Die Kommissarin unterstellte ihm, dass er bei einer eventuellen Eigentumswohnung nicht so großzügig gewesen wäre. Die hätte er sich garantiert unter den Nagel gerissen – als Kapitalanlage oder als Zukunftssicherung für seine Kinder. Und die hätte er dann auch selbst leer geräumt, um ihren Wert richtig einschätzen zu können.
»Wie heißt die eigentlich?«
»Wer?«
»Die Freundin meines Bruders.«
Franziska seufzte. So einfach ging es ja nun auch nicht. Sachlich stellte sie klar: »Verstehen Sie, ich möchte zunächst einmal selbst mit ihr sprechen. Und erst wenn sie einverstanden ist und sich auch der Konsequenzen dieses Einverständnisses bewusst ist, gebe ich Ihnen alles durch.«
»Datenschutz, oder?« Er lachte komplizenhaft. »Ja, ja, ehe man sichs versieht, hat man dagegen verstoßen. Ich kenne das Problem. Wir hören uns?« Und schon ertönte das Freizeichen.
Sie knallte den Hörer auf die Gabel. »So ein arrogantes Miststück aber auch! Unglaublich, was bildet der sich bloß ein!«
In diesem Moment betrat Bruno den Raum. »Telefonat mit dem Chef?« Er feixte.
»Schlimmer. Das war der Bruder von Herrn Dr. Hellmann.«
»Und, was will er?«
»Mir was anschaffen.«
Komisch, er hatte doch ziemlich selten bei ihr übernachtet, wollte immer wieder zurück an seinen Schreibtisch und an seine Arbeit. Aber jetzt, da sie wusste, dass er niemals wiederkommen würde, spürte sie die Leere in ihrem Leben und in ihrem Bett.
Am liebsten wäre sie Günther gefolgt. Ihm hinterhergelaufen in das Land des Nichts. Ob der Mann ihrer Tante sie erschießen würde, wenn sie ihn freundlich darum bat? Bernhard Döhring hatte einen Jagdschein, eine Schrotflinte und möglicherweise sogar Verständnis für ihre Lage. Sie würde ihm ihr Sparbuch überschreiben, und dann sähe man ja schon, ob Tante Lotti recht hatte, wenn sie an schlechten Tagen über ihren Mann schimpfte und klagte: »Für Bares tut der alles.«
Ja, der alte Onkel, Onkel Alt, wie Eulalia-Sophie ihn nannte, würde sie erlösen, sodass sie in das Land des netten Onkels überlaufen könne. Und die Kleine würde von Charlotte
Weitere Kostenlose Bücher