Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
antwortete gereizt: »Mittagessen. Was denn sonst?«
»Es riecht so komisch.«
»Es riecht nicht komisch, es riecht gesund«, belehrte sie ihn. »Der Bruder Ägidius ist immer noch krank, und da müssen mir halt mal ein wenig Rücksicht nehmen. Deshalb koche ich Diät. Das wird dir auch nicht schaden. So eine Gemüsesuppe ist immer noch besser als Blut- und Leberwurst oder fette Kässpatzen, die du allerweil in dich reinstopfst.«
Ihr Bruder seufzte. »Gestern hat’s auch schon nix als Schleimsuppe gegeben. Wird Zeit, dass Bruder Ägidius wieder g’sund wird, sonst werd ich noch krank.«
»Mir ham eine feste Arbeitsteilung«, stellte sie klar und sah ihn streng an. »Du hast in deiner Kirche was zum sagen und ich in meiner Küche. Und dass du es weißt: So lange, wie mein Mitarbeiter krank ist, koch ich akkurat so, dass er ganz schnell wieder g’sund wird. Verstanden?«
Fassungslos schnappte Wilhelm Moosthenninger nach Luft. »Dein Mitarbeiter? Du spinnst wohl!«
Sie hob den Kopf und straffte die Schultern. »Wie du weißt, kümmern wir uns gemeinsam um die Seligsprechung meiner einzigen und besten Freundin, der Agnes.«
»Seligsprechung, Schleimsuppen, schlimmer kann’s ja wohl nicht mehr kommen«, brummte er. »Dann geh ich heut auf d’Nacht zum Essen in den Blauen Vogel. Ich muss da eh noch was klären mit den Sargträgern.«
»Mit was für Sargträgern denn?« Sie horchte auf.
»Mir ham am Samstag gleich zwei Beerdigungen. Eine um zehn und eine um zwölf. Da muss ich noch die Reden schreiben und mit den Hinterbliebenen sprechen, wie denn alles genau ablaufen soll. Und der Teres sag ich da besser auch gleich Bescheid – manchmal vergessen die Erben ja, das Essen zu organisieren, und dann sitzt die Trauergemeinde bei der im Gasthaus und muss hungern oder kriegt was vorgesetzt, was die gar nicht essen will. So wie ich.«
Ihre Neugierde war größer als der Drang, sich zu rechtfertigen. »Und wer wird begraben?«
Er betrachtete sie lange und schüttelte den Kopf über ein derartiges Ausmaß an Unwissenheit. »Das weißt du doch, die Malwine ist gestorben und der Verlobte von der Halber Gertraud. Grad hat mich der einzige Verwandte von der Malwine angerufen und gesagt, dass er seine Tante nun doch bestatten darf. Ja, so ein netter Mann, und so überaus höflich. Weißt, ich bin wirklich froh, dass der noch rechtzeitig gekommen ist – sonst wär das ganze Brunnersche Anwesen an den Freistaat gefallen. Die Malwine wird übrigens um zwölf Uhr mittags bestattet. Kannst dir schon mal vormerken«, fügte er spöttisch hinzu. »Sie ist ja immerhin die Schwester deiner allerbesten wunderwirksamen Freundin.«
«Und um zehn? Was ist da für eine Bestattung?«
»Ach, das hast du gar nicht mitgekriegt. Der hab ich selbst die Tür geöffnet, weil du immer in der Küch umeinandwirbelst. Weißt, die Halber Gertraud war grad bei mir und hat gefragt, ob’s denn auf unserm Friedhof noch ein Platzerl für ihren ehemals zukünftigen, aber jetzt leider verstorbenen Mann geben tät. Dann wär er ihr nah. Und dass er eh nach Kleinöd hat ziehen wollen, hat sie gesagt …«
»Auf unsern Friedhof soll der? Mir kennen den doch gar ned. Schlimm g’nug schon, dass der bei uns da im Dorf gestorben ist.«
Moosthenninger zog die Stirn kraus und sah sie streng an: »Du glaubst doch wohl nicht, dass ich einem gottesfürchtigen Menschen seine letzte Ruhestatt verweigere?«
»Gottesfürchtig?«, fragte sie demonstrativ nach. »Hat der denn jemals bei dir gebeichtet oder am Sonntag die heilige Messe besucht?«
Wilhelm Moosthenninger entschied, dass er darauf keine Antwort geben musste. Das alles fiel sowieso in den Bereich des Beichtgeheimnisses – und überhaupt hatte er schon wieder viel zu viel geredet. Es war doch immer das Gleiche. Wie oft schon hatte er nach den Gesprächen mit seiner Schwester gedacht: Schweigen ist Gold, weil nämlich das Reden mit ihr keinen Silberling wert ist.
Kopfschüttelnd ging er in sein Arbeitszimmer und fuhr den Computer hoch, um sich was Gutes zu gönnen und im Internet die Speisenkarte des Landgasthauses Blauer Vogel zu studieren. Schon beim Lesen lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Zumindest für heute Abend gab es einen Lichtblick: Er würde essen gehen und der Martha mit ihrem Kurienbürscherl großzügig den ganzen Kessel Gemüsebrei überlassen.
»Doppelbestattung«, murmelte Martha und pürierte hingebungsvoll gekochte Kartoffeln, Möhren und Kohlrabi. Zwei an einem Tag. Wann
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