Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Ausland war und daß die junge Frau am letzten Wochenende ihre Eltern besucht hatte.
Der alte Mann hatte ihm als einziger etwas Konkretes zu sagen vermocht. Etwas über ein rotes Auto. Ein hellrotes, fremdes Auto, das von etwa elf Uhr am Samstag abend bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags ungefähr dreißig Meter vom Haus entfernt auf der Straße gestanden hatte.
Wußte die Polizei von diesem roten Auto? Interessierte sie das überhaupt? Der Wagen konnte jedem x-beliebigen gehören. Es war unwahrscheinlich, daß ein Vergewaltiger während der Tat sein Auto in der Nähe des Tatortes stehen ließ. Andererseits steckte der übergroße Zahnarzt Vergewaltiger nun wirklich nicht mit anderen Gesetzesbrechern in eine Schublade. Er stellte sich unter Sittlichkeitsverbrechern sabbernde Untermenschen mit geringer Intelligenz vor. Obwohl er es besser wußte und seine Auffassung modifiziert hatte, jetzt, da er selbst auf einen solchen Kerl Jagd machte, konnte er … wollte er die Möglichkeit nicht außer acht lassen, daß der Mann der Besitzer des roten Autos sein konnte.
Außerdem war das sein einziger Anhaltspunkt. Ein rotes Auto. Ein PKW . Unbekannte Marke, unbekanntes Kennzeichen.
Er seufzte resigniert und kochte für sich und seine stumme Tochter eine Art Abendessen.
Es war fast zehn Uhr abends, sie lagen auf dem Boden und hatten sich geliebt. Unter sich hatten sie zwei Decken, über sich einen kühlen Luftzug von der Balkontür, die sie kühnerweise einen Spaltbreit offengelassen hatten. Sie hatten die Vorhänge vorgezogen und waren so leise wie möglich gewesen. Aus den anderen Balkontüren hörten sie ferne Geräusche; ein Ehepaar, das sich einen Stock tiefer stritt, nebenan einen etwas zu lauten Fernseher. Hanne und Cecilie lagen schon seit den Fernsehnachrichten hier.
»Warum liegen wir eigentlich hier?« kicherte Hanne. »Das ist ziemlich hart. Mein Steißbein tut schon weh.«
»Waschlappen. Sieh mich doch an, ich hab’ mir die Knie aufgekratzt.«
Cecilie hielt ihr ein Knie vor die Nase. Es stimmte. Das Knie sah rot und schrecklich wund aus. Daß sie es auch nie lernten. Nicht zum erstenmal hatte der Teppichboden Ellbogen und Knie aufgescheuert, wenn sie für einen Moment neben der Decke gelandet waren.
»Du Arme«, sagte Hanne und küßte das wehe Knie. »Warum liegen wir denn immer noch hier?«
»Weil es so wahnsinnig gemütlich ist«, erklärte ihre Liebste und erhob sich.
»Gehst du weg?«
»Nein, ich will nur eine Decke. Ich friere.«
Sie packte die obere Decke und zog sie an sich. Was dazu führte, daß Hanne auf den Bauch gedreht wurde. Cecilie kniete sich neben sie und küßte die Stelle, an der der Rücken sich teilte.
»Dein armes Steißbein«, sagte sie, legte sich neben Hanne und zog die Decke über sie beide. Hanne drehte sich auf die Seite, stützte den Kopf auf den Ellbogen und ließ langsam einen Zeigefinger über die Brust der anderen wandern.
»Was würdest du tun, wenn ich vergewaltigt würde?« fragte sie plötzlich.
»Du vergewaltigt? Warum sollte dich einer vergewaltigen? Du bist doch nicht so ungeschickt, daß dir das passieren kann.«
»Red doch nicht so ein Blech. Es hat nichts mit Ungeschicklichkeit zu tun, wenn eine vergewaltigt wird.«
»Ach nein? Und warum ist das dann noch keiner von unseren Freundinnen passiert? Warum lesen wir in den Zeitungen immer wieder von Frauen, die zu den seltsamsten Zeitpunkten an den suspektesten Stellen in der Stadt vergewaltigt werden? Wer aufpaßt, wird auch nicht vergewaltigt.«
Hanne Wilhelmsen hatte jetzt keinen Nerv für einen Streit, obwohl die Begriffsstutzigkeit ihrer Freundin sie ziemlich ärgerte. Sie fühlte sich zu wohl zum Streiten. Sie wollte das einfach nicht. Statt dessen beugte sie sich vor und ließ ihre Zunge nasse Kreise um Cecilies Warzenvorhof ziehen, behutsam, darauf bedacht, nicht die Brustwarze selbst zu berühren. Plötzlich hielt sie inne.
»Ganz im Ernst«, drängte sie. »Was würdest du tun? Was würdest du fühlen?«
Die andere stützte sich langsam auf ihre Arme. Sie drehte sich halb zu Hanne um. Ein grünes Licht vom Display der riesigen Stereoanlage ließ ihr Gesicht für einen Moment fast überirdisch wirken.
»Jetzt siehst du aus wie das schönste Gespenst der Welt«, sagte Hanne leise und lachte. »Das garantiert schönste Gespenst der Welt.«
Sie streckte die Hand nach einer der langen, hellblonden Locken aus und wickelte sie sich mehrmals um den Finger.
»Bitte«, insistierte sie.
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