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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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»Kannst du mir nicht sagen, was du machen würdest?«
    Endlich begriff Cecilie, daß die Frage für Hanne wichtig war. Sie setzte sich ein wenig gerader, so als könnte das ihre Denkfähigkeit verstärken. Dann sagte sie laut und deutlich und ganz, ganz ernst: »Ich würde den Kerl umbringen.«
    Sie verstummte und dachte noch zehn Sekunden nach.
    »Ja, ich würde ihn bestimmt umbringen.«
    Genau diese Antwort hatte Hanne hören wollen. Nun richtete auch sie sich auf und küßte ihre Liebste zärtlich.
    »Richtige Antwort«, lächelte sie. »Und jetzt müssen wir schlafen.«

FREITAG, 4. JUNI
    Der Zahnarzt Finn Håverstad kam nur selten in die Oststadt. Seine Praxis hatte er in einer Villa in Frogner, gediegen, alt und teuer im Unterhalt, weswegen niemand es sich leisten konnte, dort zu wohnen. Im Erdgeschoß hatte ein Architektenbüro seinen Sitz, eines der sehr wenigen, die die anhaltende Krise in der Branche überlebt hatten. Im ersten Stock arbeiteten die drei Zahnärzte in hellen, freundlichen Räumen voller Sonne und Luft.
    Seine Wohnung lag in Volvat. Zentral und doch ländlich, umgeben von einem anderthalb Dekar großen Grundstück. Obwohl seine Praxis in den letzten fünfzehn Jahren ziemlichen Profit abgeworfen hatte, war es vor allem ein Vorschuß auf eine Erbschaft gewesen, der ihm im Jahre 1978 den Kauf dieses Hauses ermöglicht hatte. Seine Tochter war von dem Haus begeistert gewesen. Und er konnte in zwanzig Minuten zu Fuß zur Arbeit gehen – was er allerdings nie machte.
    Auf der anderen Seite der Stadt roch es anders. Nicht direkt schmutziger, nicht direkt schlichter und doch … stärker. Die Auspuffgase waren aufdringlicher, die Stadt roch kräftiger. Als ob sie gerade hier ihr Deo vergessen hätte. Und alles war viel lauter. Er fühlte sich nicht wohl hier.
    Typisch norwegisch, das Polizeihauptquartier in den kläglichsten Teil der Stadt zu verlegen. Der Staat hatte das Grundstück sicher für ein Butterbrot und ein Ei bekommen. Und Parkplätze gab es auch nicht. Er lenkte seinen BMW vorsichtig in das klaffende Loch unten an dem Hang, auf dem das Polizeigebäude stand. Er mußte zehn Minuten warten, bis ein Platz frei wurde. Ein junger Mann in einem alten Amazon sauste aggressiv aus einer Parklücke und streifte die Ecke am Ausgang aus der Tiefgarage. Ein ziemlich zerkratztes gelbschwarz gestreiftes Feld an der Wand bewies, daß der Junge nicht der erste war. Der Zahnarzt merkte sich diese Falle, bugsierte sein Auto in die Lücke und verließ es nur widerwillig, als er sah, daß er schon eine Viertelstunde zu spät dran war.
    Sie sagte nichts zu seiner achtzehnminütigen Verspätung. Sie wirkte überhaupt freundlich und entgegenkommend, geradezu angenehm. Das machte ihn arg unsicher.
    »Es dauert nicht lange«, sagte sie beruhigend. »Kaffee? Oder vielleicht Tee?«
    Hanne Wilhelmsen holte für sie beide Kaffee und steckte sich eine Zigarette an, nachdem er ihr versichert hatte, daß ihm das wirklich nichts ausmache. Dann blies sie beunruhigend lange Zigarettenrauch ins Zimmer, verfolgte ihn mit trägem Blick und hielt einfach den Mund.
    Er rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her, unter anderem auch, weil der ausgesprochen unbequem war. Schließlich konnte er das Schweigen nicht länger ertragen.
    »Wollen Sie etwas Besonderes von mir?« fragte er und war verblüfft darüber, wie zaghaft er sich anhörte.
    »Sicher«, sagte sie fast munter. »Natürlich will ich etwas Besonderes von Ihnen. Zuerst …«
    Sie drückte ihre Zigarette aus, sah ihn fragend an, war offenbar zufrieden mit seiner Antwort – er streckte in einer Geste der Zustimmung den Arm aus – und zündete sich sofort eine neue Zigarette an.
    »Ich sollte wirklich damit aufhören«, sagte sie vertraulich. »Mein Chef raucht seit dreißig Jahren so viel. Den sollten Sie mal husten hören! Pst!«
    Sie erstarrte in ihrer Bewegung und legte den Kopf schräg. Aus der Feme hörten sie einen röchelnden Hustenanfall.
    »Da hören Sie’s«, sagte sie triumphierend. »Dieses Zeug ist lebensgefährlich.«
    Sie starrte mißbilligend die halbvolle Zigarettenpackung an und verstummte aufs neue.
    »Aber jetzt zu uns«, sagte sie schließlich so unvermittelt und so laut, daß er zusammenfuhr. Er merkte, daß ihm der Schweiß ausbrach, und er strich sich so diskret wie möglich mit dem Zeigefinger über die Oberlippe.
    »Zuerst die Formalitäten«, sagte sie gleichgültig und hämmerte Namen, Adresse und Personenkennummer in die Maschine.

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