Selige Witwen
eigentlich in Italien?«
Ich faselte etwas von der ewigen deutschen Sehnsucht und gab die Frage zurück.
»Honey«, sagte sie und fuchtelte nervös mit ihren beringten Spinnenfingern herum, »wie sagt man gleich? Cherchez l'homme! Wenn eine Frau in den besten Jahren sich plötzlich liften läßt, wenn sie fromm und karitativ oder völlig verrucht wird, wenn sie sich dem Marxismus oder Buddhismus zuwendet und am Ende gar in einen fremden Erdteil übersiedelt, dann steckt fast immer ein Mann dahinter.
Im nachhinein bereut man solche radikalen Entscheidungen oft, und so ist es auch bei mir.«
Ich war neugierig geworden. Pamela war mir nicht unsympathisch, aber ich konnte mir nur mit Mühe vorstellen, daß eine über fünfzigjährige Frau noch den Männern nachstieg. Vorsichtshalber stellte ich vorerst keine diesbezüglichen Fragen, denn ich wollte als wohlerzogene junge Dame auftreten und auf keinen Fall das Mißtrauen meiner Gastgeberin wecken. Sie plauderte jedoch auch unaufgefordert weiter.
»Sehen Sie, ich war dreimal verheiratet, man sollte also meinen, daß ich die Nase voll hätte. Aber leider war dem nicht so, und darum sitze ich jetzt in dieser Einöde und langweile mich zu Tode.«
»Warum gehen Sie nicht nach Amerika zurück?« fragte ich hoffnungsvoll.
»Gute Frage! Ich sollte mich eher heute als morgen zu diesem Schritt entschließen«, meinte sie. »Dabei ist es noch ein Glück, daß ich meinen Italiano nicht geheiratet habe!
Sonst mußte ich mich jetzt zum vierten Mal scheiden lassen, mit dem kleinen Unterschied, daß diesmal kein Cent dabei herausspringt! Vor einer Woche habe ich erfahren, daß dieser undankbare Casanova sich mit einem zwanzigjährigen Flittchen eingelassen hat!« Sie betrachtete mich mit so finsterem Argwohn, als seien alle jungen Frauen potentielle Hetären. Angesichts meines unschuldigen Augenaufschlags wurde sie wieder milder.
Mehrmals ließ Pamela ihren Blick zu einer großen Barockuhr schweifen, denn der Gärtner war immer noch nicht zurückgekehrt. Die Haushälterin servierte Oliven und Salzmandeln, dazu genehmigte sich Pamela einen Whiskey und goß mir einen Campari ein.
Als das Telefon läutete und sie im Nachbarzimmer verschwand, hätte ich in aller Ruhe ihren Drink mit Methadon verlängern können.
»Umberto hat angerufen, der Ferrari steht jetzt in einer Werkstatt unten im Dorf, kann aber leider erst morgen repariert werden. Mein Gärtner wird Sie zurück nach Florenz fahren, sobald Sie es wünschen.«
Ich überlegte. »Ich möchte Ihrem Personal keine Mühe machen«, sagte ich höflich. »Außerdem mußte ich ja morgen schon wieder herkommen, um den Wagen abzuholen.
Vielleicht übernachte ich in Castellina, sicher kennen Sie ein nettes kleines Hotel!«
Als Pamela ein weiteres Gläschen gekippt hatte, wurde sie zunehmend herzlicher. »Bleiben Sie doch einfach hier, my love! Ich habe mehr Platz, als mir lieb ist, und viel zu selten Gäste.
Um die Wahrheit zu sagen, ich bin es absolut leid, jeden Abend allein zu essen. Und wenn man hierzulande ohne Begleitung ins Lokal geht, wird es zum reinsten Spießrutenlaufen. Sie würden mir eine große Freude machen!«
Von wegen unkompliziert, die Alte ist eher zickig, dachte ich. Gerade in der Toskana kann eine Frau sehr gut allein ins Restaurant gehen, wir sind doch nicht im Iran!
Schließlich brachte mich die junge Haushälterin zum Gästezimmer und legte mir einen Schlafanzug aus chinesischer Seide und das Miniatur-Kosmetikset einer amerikanischen Fluggesellschaft aufs Bett. Pamela würde jetzt eine verspätete Siesta halten, ob ich noch etwas brauche, fragte sie.
»Wie heißen Sie?« wollte ich wissen.
Ihr Name sei Lucia, sagte sie und hielt an der Tür inne, wahrscheinlich dankbar für jedwede Abwechslung.
»Im Garten habe ich vorhin ein wunderschönes Schwimmbad gesehen«, sagte ich, »sicher wird Pamela täglich ein paar Runden darin drehen. Erlaubt sie es Ihnen auch?«
Lucia bedauerte, daß sie selbst gar nicht schwimmen könne. »Es ist schade, daß der Pool kaum mehr genutzt wird. Anfangs ging Pamela gelegentlich schon mal ins Wasser, aber dann hörte sie, daß der frühere Besitzer - wir nannten ihn U barone - in diesem Bassin ertrunken ist, jetzt macht sie einen großen Bogen darum. Vielleicht ist es aber auch nur eine Ausrede, denn eigentlich faulenzt sie lieber im Liegestuhl.«
Ich ergänzte: »...und gerbt ihre Eidechsenhaut! Dabei nahm ich an, alle Amerikaner seien Fitneßkanonen!«
Erleichtert
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