Selina - Liebesnaechte in Florenz
reiten.
Es war bei ihrer Ankunft heller Tag, Selina fand das Haus ihres Großvaters jedoch völlig verlassen vor. Keines der Mädchen war zu sehen, die Kinder ihres Oheims liefen nicht wie sonst durch die Zimmer und auf ihr Rufen erschien nur ein alter Diener, der sie seltsam musterte, als sie nach ihrer Freundin fragte.
„Sie ist oben“, erwiderte er fast unhöflich. Sein Blick wurde intensiver und Selina hatte den Eindruck, er würde noch etwas hinzufügen wollen, aber dann wandte er sich um und schlurfte eilig davon. Mit einem seltsamen Gefühl betrat Selina die steinerne Treppe und stieg ins obere Stockwerk empor, wo sich ihr Zimmer befand. Es war leer.
„Francoise? Fiorina?!“ Selina ging durch die Räume, alles war wie ausgestorben. Sie lief wieder die Treppe hinab in die Küche, alles leer, nicht einmal das Feuer brannte im Herd und die Magd, die dafür Sorge tragen musste, dass es niemals ausging, war ebenfalls fort.
Eine beißende Angst stieg in Selina hoch – was, wenn Francoise ernsthaft erkrankt war? Oder die andere Familie? Wenn sie eine tödliche Seuche hinweggerafft hatte? Der Gedanke war unwahrscheinlich, sogar lächerlich, aber das Gefühl von Bedrohung wurde immer stärker und sie atmete erleichtert auf, als sie endlich aus dem studio ihres Großvaters Stimmen hörte. Sie stieß die Tür auf und trat ein.
Ihr Großvater saß in seinem Stuhl, daneben stand wie ein reicher Stutzer gekleideter Fremder und noch zwei weitere Männer, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, die auf sie jedoch nicht gerade den Eindruck machten, als wären sie Geschäftspartner oder gar Freunde der Santini.
„Da bist du ja“, sagte der Alte mit einem seltsamen Ton in der Stimme.
„Ich bin gekommen, weil man mir die Nachricht überbrachte, dass meine Freundin erkrankt sei.“ Selina bemühte sich, ihre Unruhe vor den anderen zu verbergen, trat aber einen Schritt zurück, als einer der Männer langsam auf sie zukam. „Was ist mit ihr? Weshalb ist sie nicht in ihrem Zimmer? Wo sind die anderen? Wo ist Fiorina?“
„Sie sind alle fort“, antwortete Santini. „Sie besuchen eine Tante meiner Schwiegertochter, die etwas außerhalb von Florenz, in Firenzuola, wohnt.“ „Aber weshalb hat sie mir dann geschrieben, dass meine Freundin krank ist?“ fragte Selina misstrauisch und wich noch etwas zurück, als der Fremde weiter auf sie zukam. „Der Brief ist von mir.“ Santini sprach mit behäbiger Zufriedenheit. „Ich wollte, dass du kommst.“
„Und weshalb?“
Er deutete auf einen Becher, der auf dem Tisch stand. „Trink das.“
„Was ist das?“ Selina merkte, wie die Angst ihr die Kehle zuschnürte. Der Alte war so seltsam, furchterregender sogar als in seinen Wutanfällen. Und sie war ganz alleine mit ihm und diesen fremden Männern.
„Du wirst darauf schlafen“, lautete die kalte Antwort. „Ich kann nicht dulden, dass du dich in meine Pläne mengst und sie zerstörst. Ich weiß nicht, was Alessandro di Barenza an dir findet, aber ich werde dafür sorgen, dass er sich wieder der ihm zugedachten Braut zuwendet.“
Selina starrte ihn sekundenlang entsetzt an, dann drehte sie sich um und wollte aus dem Zimmer laufen, als plötzlich hinter ihr jemand auftauchte. Sie versuchte an dem stämmigen Mann vorbei zu kommen, stieß ihn zur Seite, aber da waren die anderen auch schon bei ihr, packten sie und zerrten sie ins Zimmer hinein, wobei sie hinter ihr sorgfältig die Tür verschlossen.
„Lasst mich los!“ Selina wehrte sich wie eine Wildkatze, kratzte, schlug und biss, aber endlich versagten ihre Kräfte und sie musst es dulden, dass man sie auf einen Sessel drückte und dort festband. Die Männer traten etwas zurück als sich der alte Santini erhob, der bisher nur schweigend zugesehen hatte. Er kam näher, nahm den Becher vom Tisch und hielt ihm einen der Männer hin.
„Da, gib ihr das zu trinken!“
Der Mann, ein kräftiger Bursche in bäuerlicher Kleidung, mit einem derben Gesicht und einem brutalen Zug um den Mund, griff nach Selinas Haar und zog ihren Kopf zurück, dann setzte er ihr den Becher an. „Mach den Mund auf! Los! Oder ich breche ihn dir mit dem Messer auf!“ Als Selina fest die Zähne zusammenbiss und die Lippen aufeinander presste, zog er ein Messer aus dem Gürtel, aber der Stutzer, der neben Santini gestanden war, riss ihm die Hand weg.
„Nicht so, man darf keine Verletzungen sehen. Es muss so aussehen, als wäre sie beim Spazierengehen von der Brücke gefallen und
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