Semenon und die kleine Landkneipe
gesperrt mit ihrem Riesenverkehr! Vermutlich ohne jeden Erfolg!
Zwei Stunden später kam aus Arpajon die Nachricht, ein Auto, das dem als vermißt gemeldeten entsprach, habe an einer Tankstelle getankt.
Aber war es der gesuchte Wagen?
Der Mann behauptete, keine Frau im Auto gesehen zu haben.
Endlich, um fünf Uhr, eine Mitteilung aus Montlhéry: Der Wagen habe auf der Autorennbahn Geschwindigkeitstests gefahren, eine Panne erlitten. Ein Beamter habe zufällig den Fahrer ersucht, seinen Führerschein zu zeigen. Er hatte keinen.
Es war James! Aber er war allein. Man wartete auf Maigrets Anweisungen. Sollte er freigelassen oder festgenommen werden?
»Neue Reifen!« jammerte der Doktor. »Und bei der ersten Fahrt! Ich glaube, er ist nicht ganz richtig im Kopf. Oder war er vielleicht betrunken?«
Er bat Maigret um die Erlaubnis, ihn begleiten zu dürfen.
6
Man feilscht um den Preis
S ie machten den Umweg über die Pinte, um Victor
mitzunehmen. Als er im Wagen saß, warf er dem Wirt einen Blick zu, der ihn wohl darauf aufmerksam machen sollte, wie rücksichtsvoll man ihn, den Landstreicher, behandelte.
Er saß Maigret gegenüber und bat, die Fensterscheibe zu schließen. Seiner Lunge wegen.
Auf der Bahn wurden an diesem Tag keine Rennen gefahren. Nur einige Sportler waren dabei, vor leeren Bänken zu trainieren. Die ganze Anlage machte einen gewaltigen Eindruck. Irgendwo stand ein Wagen, davor ein Gendarm und ein Mann im Lederhelm, der vor einem Motorrad kniete.
»Dort drüben«, wurde dem Kommissar mitgeteilt.
Victor betrachtete mit Interesse ein feuerspeiendes Ungeheuer, das in rasendem Tempo um die Bahn sauste. Nun hatte er selber die Scheibe geöffnet und sich hinausgebeugt.
»Ja, es ist mein Wagen«, sagte der Arzt.
Neben dem Mann, der im Begriff war, seine Maschine in Ordnung zu bringen, stand James. Er hatte das Kinn in die Hand gestützt und erteilte in aller Ruhe Ratschläge. Als er Maigret mit seinen zwei Begleitern sah, hob er den Kopf und murmelte:
»Nanu? Schon da?«
Dann musterte er Victor einigermaßen überrascht und fragte sich, was der wohl hier wollte.
Wenn Maigret sich von dieser Begegnung etwas versprochen hatte, mußte er jetzt enttäuscht sein. Victor schenkte dem Engländer kaum einen Blick, sein ganzes Interesse galt dem Rennwagen. Der Doktor hatte bereits die Türen geöffnet, um sich zu vergewissern, daß sein Auto nicht beschädigt war.
»Sind Sie schon lange hier?« knurrte der Kommissar.
»Kann es nicht genau sagen. Ja, schon ziemlich lange …«
Er war von einer unglaublichen Gemütsruhe. Es war ihm nicht anzumerken, daß er eben erst zwei Menschen vor den Augen der Polizei entführt hatte und daß seinetwegen die Gendarmerie eines ganzen Departements unterwegs war.
»Keine Sorge«, sagte er zum Doktor, »die Karre ist heil, nur der Reifen hat ein Loch … Übrigens ein guter Wagen, nur etwas schwer zu starten …«
»Basso hat Sie gebeten, ihm diesen Dienst zu erweisen?«
»Sie wissen, daß ich auf solche Fragen nicht antworten kann, mein guter Maigret.«
»Und Sie können mir auch nicht sagen, wo Sie sie abgesetzt haben?«
»Sie müssen doch zugeben, daß Sie an meiner Stelle …«
»Ich kann nicht leugnen … etwas hat mir imponiert … etwas, worauf ein Professioneller vermutlich nie verfallen wäre …«
James sah ihn mit Bescheidenheit verwundert an.
»Was, wenn ich fragen darf?«
»Die Idee mit der Rennbahn. Madame Basso ist in Sicherheit … Die Polizei soll den Wagen nicht gleich finden. Die Straßen sind bewacht … Also bleibt nur dieser Ausweg. Und Sie sausen um die Strecke, als müßten Sie ein Rennen gewinnen …«
»Ich versichere Ihnen, es ist schon längst mein Wunsch gewesen.«
Der Kommissar kümmerte sich nicht mehr um ihn, sondern rannte zum Doktor, der den Reservereifen aufmontieren wollte.
»Das Auto bleibt bis auf weiteres beschlagnahmt.«
»Mein Auto? Was habe ich denn verbrochen?«
Trotz aller Proteste wurde der Wagen in eine der Boxen gebracht, deren Schlüssel Maigret an sich nahm. Der Gendarm erwartete Weisungen. James rauchte eine Zigarette. Der Landstreicher starrte noch immer der feuerspeienden Maschine nach.
»Führen Sie ihn ab«, sagte Maigret, »und sorgen Sie dafür, daß er zur Verfügung der Kriminalpolizei bleibt.«
»Und ich?« fragte James.
»Haben Sie mir noch immer
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