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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Semmler nicht. Er dachte voll Wärme an Bellmeyer.
    Er drehte sich um. Er war allein in der Garage. Hinter dem Haus dröhnte der Rasenmäher. Er stellte sich vor den Toyota und sagte nicht laut, aber mit fester Stimme: »Ich opfere diesen Wagen für das Gelingen des SILIV-Deals.«
    Er verließ die Garage so rasch, als habe er Angst, sich umzudrehen.
     
    O bwohl sich Semmler in den nächsten Tagen immer wieder sagte, dass Frau Mießgang hochgradig gestört war und ihr Opferritual der übliche Esoterikquatsch, den man in den bunten Taschenbüchern diverser Ratgeber und Lebenshilfereihennachlesen konnte, erfüllte ihn so etwas wie gespannte Erwartung. Er wollte es sich am Anfang nicht zugeben, dass ein Teil seines Wesens mit jeder Faser nach dem Wunder gierte, während der andere eine Enttäuschung, groß und vernichtend wie ein heranrasender Tsunami, hinter dem Horizont ahnte. Der eine war der kindliche, das andere der erwachsene Semmler. Zum Schmerz des finanziellen Verlustes würde sich der Schmerz der enttäuschten Hoffnung gesellen; sie würden sich nicht addieren, sondern multiplizieren; jetzt wusste er das. Er hätte vorher ein bisschen länger nachdenken und die Sache lassen sollen. Aber er hatte eben nicht nachgedacht. Du hast dich hinreißen lassen. Schuld war der Grappa, den er nicht vertrug. Jetzt galt es, sich um Schadensbegrenzung zu bemühen. Abstand halten. Fliehen. Fliehen war nach seiner Erfahrung eine höchst wirksame Methode, mit Unannehmlichkeiten und Gefahren umzugehen und bei der Allgemeinheit nur deshalb so verpönt, weil die Allgemeinheit sich keine Fluchten leisten konnte, keine richtigen. Semmler konnte sie sich leisten und war bis jetzt gut damit gefahren. Ein paar Tage Urlaub änderten seinen Blick auf die Dinge. Er würde nach Zürich fahren. Das Kunsthaus besuchen, das Landesmuseum, dort ging er immer wieder gern hin.
    Er bestellte ein Zimmer in dem Altstadthotel, in dem er immer logierte und unterrichtete Bellmeyer von der Reise.
    »Ich bin nicht da«, sagte er, »drei, vier Tage.«
    »Überhaupt nicht?«
    »Überhaupt nicht.«
    Das war ihr Code für absolute Abschottung. Niemand würde wissen, wo er sich aufhielt. Keine Geschäftspartner und erst recht keine Verflossenen. Das Handy ließ Semmlerzu Hause. Im alleräußersten Notfall hatte Bellmeyer die Nummer des Hotels, um eine Nachricht zu hinterlegen.
    Danach gab Bellmeyer eine Übersicht der Arbeiten, die er in den nächsten Tagen erledigen wollte, Semmler hatte ihn nicht dazu aufgefordert, er hörte sich aber die Rede des Hausmeisters an, ohne ihn zu unterbrechen; Bellmeyer, vom alten Schlag, fühlte sich wohler; es ging nur darum, den Eindruck zu vermeiden, er fröne dem Nichtstun, wenn der Hausherr weg war, wenn er wiederkam, konnte er nachprüfen, was von der Liste erledigt war und was nicht. Die Nordhecke geschnitten, die das dringend nötig hatte, Heizöl gebunkert und den Carina zur Inspektion gebracht. Wenn es den Hausherrn interessierte. Das tat es nicht. Bellmeyer wünschte Semmler eine gute Reise, Semmler wünschte Bellmeyer eine schöne Zeit, dann ging er packen. Nach einer Viertelstunde war er fertig, er reiste mit leichtem Gepäck. Zwei Minuten später fuhr der Jaguar durch das Gittertor.
    Semmler ging in Zürich gern spazieren. Er liebte die ruhige ... Akkuratesse der Stadt. »Akkurat« war das rechte Wort für Zürich. Es handelte sich nicht darum, dass es sauberer war als anderswo, Sauberkeit konnte man mit Putzen auch anderswo erreichen, nirgendwo aber das Zürichspezifische herbeiputzen, da steckte mehr dahinter ... er kam dann nicht darauf, was dahinter steckte, konnte aber Stunden damit verbringen, über solche Dinge nachzudenken, während er durch die Straßen spazierte. Der ganze Finanzkram war dann vergessen.
    Am Abend des zweiten Tages kam er müde von einer langen Wanderung am Zürichseeufer ins Hotel zurück. Dass an der Rezeption eine Nachricht lag, berührte ihn unangenehm; so etwas war noch nie vorgekommen. Bellmeyerhatte ausrichten lassen, er soll dringend zurückrufen »wegen dem Geschäft« stand auf dem Zettel.
    »Das soll ich unterstreichen«, sagte der Rezeptionist mit gepflegtem Züridütschakzent, »hat mir der Herr ...«, er schaute kurz auf den Zettel, »... der Herr Bellmeyer aufgetragen – und wörtlich ausrichten.« Wegen dem Geschäft. Semmler bedankte sich und ließ sich gleich mit Bellmeyer verbinden. Der war sehr aufgeregt.
    »Es ist nämlich so«, begann er, »es ist jemand da gewesen

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