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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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wertlos. Sie konnten sie genau so gut verfallen lassen.
    Das Problem lag einfach darin, dass Wurtz von der Übernahme nichts gewusst hatte – das konnte nur eines bedeuten: die Firmenleitung hatte ihn von gewissen Informationsströmen isoliert. Und warum hatte die Firmenleitung das wohl getan? Weil sie ihn im Verdacht hatte, genau jene Insidergeschäfte zu betreiben, die er tatsächlich betrieb. Das hieß aber auch, dass sie ihm nichts beweisen konnten. Also lockten sie ihn in eine Falle. Konstruierten, als die Übernahme längst beschlossen war, einen negativen Test, der zu einer Baisse-Spekulation einlud wie ein Anheizer auf der Reeperbahn. »Hereinspaziert, kommen Sie, meine Herren, hier wird richtig gefickt!« Wurtz hatte doch keine Ahnung von der Pharmazie. Und er selber auch nicht.
    Koslowski hätte Ahnung gehabt und das Spiel durchschaut ... sein Magen krampfte sich zusammen, als ihm der Name einfiel. Zu allem Übel eigenen Verlusts kam noch die Schmach, dass der widerwärtige Schleimscheißer noch einen Reibach machen würde – durch einen Tipp seines alten Schulkameraden Semmler. Dieser Semmler allerdings würde keinen Reibach machen. Der hatte nämlich über vierzigtausend Euro für eine absolut wertlose Verkaufsoption ausgegeben. Die Option berechtigte ihn, in ein paar Monaten eine bestimmte, große Zahl von Aktien der SILIV-AG an den Herausgeber der Option, eine Bank, zu verkaufen – zu einem bestimmten Kurs. Die Bank müsste ihm die Aktien zu diesem Kurs abnehmen. Für Semmler war das nur dann ein lohnendes Geschäft, wenn er die Aktien, die er noch gar nicht besaß, zu jenem Zeitpunkt in der Zukunft für weniger Geld an der Börse kaufen konnte, als ihm die Bank beim Weiterverkauf dafür zahlen musste. Das funktionierte nur, wenn die Aktie bis dann gefallen war. Wenn sie im Wertgleich blieb oder sogar stieg, war die Option wertlos und das Geld, das er für sie bezahlt hatte, verloren. Im Prinzip war es eine Wette. Die Bank wettete, dass die Aktie stieg, Semmler wettete dagegen, dass sie fiel.
    Aber die SILIV-Aktie würde nun nicht fallen. Sie würde auch nicht in schwindelnde Höhen steigen. Wahrscheinlich nicht, aber das war schon egal. Der Put war wertlos, er hatte sich verspekuliert.
    Er hätte nun im Kopf seinen Verlust bis auf den letzten Euro ausrechnen können. Aber er weigerte sich. Wenn die Summe feststand und nicht nur so ungefähr, würde sie sich in sein Hirn einbrennen wie eine Tätowierung, sie würde ihm immer wieder einfallen. Verluste vergaß er nicht. Es gab bei dieser Sache auch kein Remis, Null zu Null oder wie man das nennen wollte – es gab nur Gewinn oder Verlust, kein realistischer Verlauf konnte ihn »eben« aussteigen lassen; dazu hätte die Aktie »ein bisschen« fallen müssen, um eben soviel Profit abzuwerfen, dass die Transaktionskosten gedeckt waren. Das war sehr unwahrscheinlich.
    Ein Wunder. Ein Wunder würde seinen Verlust in einen Gewinn verwandeln. Und er kannte ein sicheres Verfahren, so ein Wunder herbeizuführen.
    Er ging in die Küche, machte sich einen Kaffee. Danach ging es ihm besser. Der Gedanke an das Opfer ließ ihn nicht los. War auch in Ordnung, es gab in der Welt der Tatsachen keinen Weg, den Verlust zu vermeiden. Also brauchte er auch nicht über trügerische Rettungsversuche nachzudenken. Der Kopf war frei, sich mit anderem zu befassen, Rettung aus der Welt des Glaubens. So hieß das doch wohl? Die Welt des Glaubens, das Universum ... einmal hatte es ja ... das Opfer sollte in einem angemessenenVerhältnis zum erbetenen Nutzen stehen. Er versuchte, sich an die Worte der Frau Mießgang zu erinnern. Wie war das gewesen? Über den Opfer-Nutzen-Quotienten hatte sie gar nichts gesagt, den hatte er beim ersten Opfer schlecht gewählt. Was konnte das Universum dafür, dass er ein Feuerzeug für einen Schlüsselbund opferte? Des Menschen Wille ist erstens frei und zweitens sein Himmelreich. Also schön.
    Er ging in die Garage. Den Jaguar würde er nicht anbieten. Das wäre dasselbe wie Feuerzeug gegen Schlüsselbund, nur multipliziert mit einer Million oder so ... aber den Carina. Schon sieben Jahre alt, ein unauffälliger Waldund-Wiesen-Liftback, praktisch und unauffällig. Er erinnerte sich, dass Bellmeyer etwas über die Plakette gesagt hatte, der Carina war zur Überprüfung fällig, die dank hervorragender Wartung durch eben denselben Bellmeyer reine Routine darstellte. Um die Autos kümmerte sich das Faktotum wie um das Haus, damit belastete sich

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