Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
Ashaya?“
Vertraute blaue Augen sahen sie an, dennoch sagte irgendetwas Mercy, dass sie die Blicke der beiden Schwestern nie verwechseln würde. „Nicht in diesem Stadium.“
„In Ordnung.“ Mercy wies mit dem Kopf auf die Teströhrchen auf dem Labortisch. „Sieht interessant aus.“
„Keine Angst“, sagte Amara. „Ich erschaffe kein neues tödliches Virus.“
Mercy lächelte ertappt, genau daran hatte sie gedacht. „Wäre mir nie in den Sinn gekommen. Was ist es?“
„Eine Art Spielerei – Farben herstellen.“ Amara nahm ein Röhrchen mit einem faszinierenden Blau in die Hand. „Kupfersulfat.“
„Sie wirken nicht wie jemand, der gerne spielt.“
„Gut beobachtet.“ Amara stellte das Röhrchen wieder zurück, daneben stand eines mit leuchtendem Gelb. „Aber Sascha Duncan hat gemeint, ich sollte es ausprobieren.“
Bei jedem anderen hätte Mercy auf weitere Erklärungen gewartet. Amara musste sie direkt fragen. „Warum?“
„Sie meinte, Spielen fördere … Gefühle.“ Amara zuckte die Achseln und nahm ein leeres Teströhrchen in die Hand. „Ich verstehe zwar nicht, wie E-Mediale vorgehen, aber wenn ich ihren Vorschlägen folge, lässt sie mich ein paar Tage in Ruhe.“
Mercy war nicht bewusst gewesen, dass Sascha so viel Zeit mit Amara verbrachte – vor allem, da sie Saschas Reaktion auf die erste Begegnung mit der absoluten Kälte der Medialen kannte. Aber die Gefährtin ihres Alphatiers hatte einen eisernen Willen. Amara brauchte Hilfe, um sich in dieser ihr unbekannten neuen Welt zurechtzufinden, deshalb half Sascha ihr. Nicht mehr – aber auch nicht weniger – steckte dahinter. „Spielen ist sehr lehrreich“, sagte Mercy zu Amara. „Man kann Dinge ausprobieren, ohne sich Sorgen machen zu müssen, ob es auch funktioniert. Wie bei einem kreativen Brainstorming.“
Amara starrte sie an. „Gescheite Worte.“
„Das war doch wohl kein Kompliment.“
Amara antwortete nicht. Einen Augenblick später begriff Mercy, dass sie keine Frage gestellt hatte. „Oder doch?“
„Irgendwie schon“, sagte Amara. „Ich habe immer geglaubt, Gestaltwandlersoldaten hätten nur Muskeln.“
„Obwohl Ihre Schwester Dorians Gefährtin ist?“ Der Wächter war verteufelt klug.
„Manchmal habe ich immer noch das Bedürfnis, ihn umzubringen, deshalb lässt uns Ashaya selten miteinander allein.“
Die ehrliche Antwort ließ Mercys Mundwinkel nach oben schnellen. „Machen Sie sich darüber keine Sorgen – ich könnte ihn auch manchmal umbringen.“ Dann wurde sie wieder ernst. „Kämpfen Sie dagegen an. Lassen Sie sich nicht unterkriegen. Nur Weicheier geben auf.“
Und wie ist das mit dir und Riley?
Sie wehrte diesen störenden Gedanken ab, und Amara blinzelte. „Es wundert mich nicht, dass meine Schwester Sie ihre beste Freundin nennt. Sie selbst hat auch nie aufgegeben. Nicht einmal mich.“
Das reichte für heute. Mercy wandte sich zum Gehen – es gleichzeitig mit Amara und den eigenen rebellischen Gedanken aufzunehmen, war einfach zu viel für sie.
„Mercy?“
Sie drehte sich an der Tür um. „Ja.“
„Schauen Sie.“ Amara hielt ein neues Röhrchen hoch. „Das ist Ihre Haarfarbe.“
Hawke schlenderte zur Wohnung der Laurens – auch nachdem sie achtzehn geworden war und ein Anrecht auf ein eigenes Zimmer in der Höhle hatte, war Sienna bei ihrem Onkel Walker, seiner Tochter Marlee und ihrem eigenen kleinen Bruder Toby geblieben. Was immer man gegen Sienna sagen konnte – sie war eine gute Cousine und Schwester. Marlee und Toby beteten sie an. Und eine ganze Reihe anderer junger Wölfe auch.
Warum musste sie sich bloß immer in einen Teufel verwandeln, sobald er in der Nähe war. „Riley hat recht“, murmelte er leise vor sich hin und sah auf die geschlossene Eingangstür. Ein Grund dafür, dass Sienna ihn in den Wahnsinn trieb, war sicherlich, dass sie zu viel freie Zeit hatte.
Sie war intelligent, und ihre Onkel hatten ihm berichtet, dass sie ein Fernstudium an einer der besten Universitäten aufgenommen hatte. Aber dadurch konnte sie nicht ihre überschüssige körperliche Energie abbauen. Indigo hatte ihn auch schon gedrängt, Sienna eine Stellung im Rudel zu geben, denn sie gehörte nun einmal zu den Wölfen. Ihr keine Stellung zu geben, war eine Beleidigung.
Hawke spürte, wie er die Zähne zusammenpresste. Beleidigung hin oder her, er war schließlich für Gerechtigkeit und das Wohlergehen jedes Einzelnen im Rudel zuständig – Sienna hatte ihre Impulse weit
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