Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
antat. Wie hatte er es bloß geschafft, dass sie so schnell von ihm abhängig wurde?
„Verstehe.“ Ashaya nickte. „Ein paar solcher Momente habe ich auch schon erlebt, seit ich abtrünnig geworden bin.“ Sie drehte sich um und lachte über etwas, das wahrscheinlich von Dorian gekommen war. Dann sah sie wieder in die Kamera. „Um auf den Gefallen zurückzukommen – ich habe Amara versprochen, ihr etwas vorbeizubringen, an dem ich arbeite. Könntest du das für mich erledigen?“
Ashayas Zwillingsschwester war völlig verrückt, aber auch höllisch schlau. „Wird sie nicht dich erwarten?“
„Nein, wir haben einen späteren Termin ausgemacht.“
„Was ist es denn?“
„Einer der Chips, die wir bei den Menschen gefunden haben, die mich entführen wollten“, sagte Ashaya. „Ich habe ihn ganz auseinandergenommen, um herauszubekommen, wie er funktioniert. Amara hat selbst einen, aber ich möchte ihre Meinung über etwas hören, das ich entdeckt habe.“
„Hast du in meinem Bericht gelesen, was Bowen über die Dinger gesagt hat?“, fragte Mercy.
„Ja. Aber ich will keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich habe auch deine Nachricht erhalten, dass ich mit Nash reden soll.“
„Und? Schon Erfolg gehabt?“
„Nein“, kam es zu Mercys Enttäuschung zurück, „aber ich werde es in ein oder zwei Tagen noch einmal versuchen. Vielleicht ist ihm im Moment einfach alles zu viel.“ Ihre Locken tanzten, als sie sich wieder umdrehte. „Warte mal. Dorian will mit dir sprechen.“
Die Verbindung schaltete auf Audio-Modus, Dorian musste den Handapparat mit nach draußen genommen haben. „Merce, ich habe die Daten der Polizei überprüft. Beide Morde in Tahoe wurden mit demselben Messer begangen.“
„Du meine Güte.“
„Ich habe unsere Leute in dem Gebiet noch einmal gewarnt, sie werden auch den anderen Gestaltwandlern Bescheid sagen. Drew sorgt für die Benachrichtigung der Wölfe. Aber die Polizei hat bislang nichts weiter, wir wissen nicht, wonach wir suchen müssen.“ Er stieß einen Seufzer aus, und seine Stimme klang tiefer. „Wo zum Teufel kommen die nur alle her?“
„Ich wünschte, ich wüsste es, Blondie.“ Bewusst setzte sie den Spitznamen aus ihrer Kindheit ein, um ihn von den düsteren Gedanken abzulenken. Seit Ashaya seine Gefährtin war, war er viel ausgeglichener, aber er würde immer um seine ermordete Schwester trauern. Mercy ebenfalls – in ihrer Kindheit hatten sie Kylie in alle ihre schändlichen Pläne einbezogen, auch wenn Dorians Schwester viel jünger als sie gewesen war.
Nach Kylies Tod hatte Mercy sich bemüht, die guten Zeiten im Gedächtnis zu behalten, den Unsinn, den sie zusammen gemacht hatten, aber in den eigenartigsten Augenblicken fiel ihr Kylie wieder ein, und das Herz tat ihr weh – zum Beispiel, wenn sie etwas erblickte, das Kylie erfreut hätte. Wie viel schlimmer musste es für Dorian sein! Sie schluckte den Kloß im Hals hinunter. „Oder sollte ich dich lieber Wunderknabe nennen? Das scheint nicht auszurotten zu sein.“
„Pass bloß auf, Karotte“, sagte er und lachte auf. „Ich stelle dich wieder zu Shaya um – Keenan meint, ich würde den besten Teil des heutigen Programms verpassen.“
Auf dem Bildschirm zeigte sich erneut Ashayas Gesicht, ihre Locken sahen ein wenig durcheinander aus. „Was hast du denn gemacht?“, fragte Mercy lächelnd.
Ashaya wurde rot. „Sagen wir mal so, Blondie ist sehr schnell.“
Alle Sorgen, die sich Mercy gemacht hatte, hatten sich im Nu in Luft aufgelöst. „Ich komme in etwa zwei Stunden vorbei. Passt euch das?“
„Wahrscheinlich liegen wir dann immer noch im Bett und schauen uns Zeichentrickfilme an.“ Ihre Augen leuchteten voller Zuneigung. „Mein Gefährte und mein Sohn haben ihre gemeinsame Liebe für Superhelden und Frühstück im Bett entdeckt. Sie sind fest entschlossen, mich ebenfalls zu bekehren.“
Das Bild von einem faulen Familienvormittag, das Ashaya in ihren Kopf gezaubert hatte, fand Mercy dermaßen anziehend, dass sie sich beinahe darüber gewundert hätte. Beinahe. Denn sie hatte schon vor einiger Zeit begriffen, dass Familienleben zu ihrem Traum gehörte. „Passt auf die Krümel auf.“ Ashaya lachte, und Mercy unterbrach die Verbindung, dann erinnerte sie sich daran, dass Sierra Tech, der Arbeitsplatz von Amara, mitten im Territorium der SnowDancer-Wölfe lag.
In Rileys Territorium.
Die Leopardin merkte auf. Die Frau ebenso. Und alle Vernunft wurde von einer Welle der Vorfreude
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