Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
Eher das Gegenteil.« Madame Lefoux kauerte sich nieder, um eine der Leichen zu untersuchen. Es waren allesamt Mumien, oder zumindest sahen sie wie Mumien aus.
Als sie einem der Pfade den Hügel hinunter folgten, stießen sie schließlich auf unbandagierte Leichen, die von der trockenen Wüstensonne zu mumienartiger Beschaffenheit verbrannt und ausgedörrt worden waren. Die meisten waren von einer dünnen Sandschicht überzogen, doch sobald diese fortgewischt war, wurde deutlich, dass es diese Leichen waren, die die Tentakel des Oktopus bildeten. Hunderte von diesen Mumien lagen in immer größer werdendem Abstand in der Wüste ausgebreitet. Vielleicht um eine größtmögliche Ausdehnung zu erzeugen? Jede einzelne von ihnen war mit einem Denkmal versehen, manche davon aus Holz geschnitzt oder aus Fels. Doch sie trugen kein Datum und auch nicht die Namen der Toten. Dafür war in alle das gleiche Zeichen geritzt – oder um genauer zu sein, zwei Zeichen: ein zerbrochenes Anch.
Alexia ließ den Blick über die Tentakel aus Toten schweifen, die sich in den Wüstensand ausdehnten, bis sie aus dem Blickfeld verschwanden. »Mein Volk.«
Madame Lefoux, die sich hingehockt und eine weitere Mumie untersucht hatte, stemmte sich auf. »Außernatürliche, alle von ihnen?«
»Das würde es verursachen.«
»Was genau verursachen?« Offenbar wollte die Französin, dass sie es laut aussprach.
»Die Gottesbrecher-Plage«, antwortete Alexia. »Trockene Wüstenluft kombiniert mit Hunderten von toten Außernatürlichen, die im Grunde genommen – oh, ich weiß nicht, wie ich es anständig ausdrücken soll – ausgasen .«
»Das sind sehr viele tote Außernatürliche«, sagte ihr Gatte.
»Von überall auf der Welt im Laufe von Hunderten und Aberhunderten von Jahren zusammengetragen, nehme ich an«, sagte Alexia. »Es gibt schließlich nicht viele von uns. Könnte auch sein, dass sie ursprünglich alle aufgestapelt waren und dass sich vor vierzig Jahren jemand dazu entschloss, damit anzufangen, sie derart auszubreiten.«
Lord Maccon warf einen Seitenblick auf Genevieve. »Dafür wäre eine ziemlich umfangreiche Operation nötig.«
»Zwei Operationen«, verbesserte Alexia. »Eine, die ursprünglich für das Entstehen der Plage verantwortlich war, und eine weitere, die vor vierzig Jahren für eine entsprechende Ausbreitung gesorgt hat.«
Madame Lefoux blickte von einem zum anderen und schüttelte dann den Kopf. »Ich höre zum ersten Mal davon, das schwöre ich!«
»Mag sein, dass das stimmt«, entgegnete Alexia, »aber um so etwas wie das hier zu bewerkstelligen, braucht es eine Organisation, die im Geheimen tätig ist. Eine mächtige Geheimorganisation, aus Wissenschaftlern vielleicht, die nicht so zimperlich wie andere sind und Tote von überall auf der Welt hierher zusammentragen.«
»Sie glauben, der OMO steckt dahinter?« Madame Lefoux schien aufrichtig überrascht von diesem Gedanken und wich leicht zurück.
»Immerhin ist es ein Oktopus «, erinnerte Alexia.
»Dennoch kann es nicht sein«, behauptete Madame Lefoux. »Der Orden hat zwar auch den Hypocras-Club hervorgebracht – ich habe die Berichte gelesen und weiß, dass wir zu ungeheuerlichen Dingen fähig sind –, aber ich glaube einfach nicht, dass wir dahinterstecken. Ein solches Wissen zu besitzen, zu wissen, dass der Körper eines toten Außernatürlichen so etwas bewirken kann, und es keinem anderen Mitglied zu erzählen, widerspricht völlig dem Zweck einer Geheimgesellschaft aus Genies. Denken Sie nur an die Waffen, die ich gegen Vampire und Werwölfe hätte entwickeln können, wenn ich das gewusst hätte. Nein, der Orden hat nichts damit zu tun. Es muss sich um irgendeine andere Organisation handeln. Die Templer vielleicht. Jedenfalls verfügen die zweifellos über die entsprechende Infrastruktur und haben weder Gewissen noch Skrupel.«
Alexia runzelte die Stirn. »Denken Sie nicht, dass die Templer mehr aus einem solchen Wissen gemacht hätten? Wie Sie gerade sagten, sie hätten dieses Wissen mit Sicherheit genutzt, um entsprechende Waffen zu konstruieren. Zumindest hätten sie die Leichen in Italien zusammengetragen, um ihre Heimat zu beschützen, also die Gottesbrecher-Plage nach Europa verlagert, anstatt sie hier auszudehnen.«
»Wisst ihr, was ich denke?«, schaltete sich Conall Maccon in die Debatte ein.
Überrascht, dass er immer noch da war, drehten sich beide Damen um und sahen ihn an. Alexias Mann trug ihre Tochter auf dem Arm. Er sah
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