Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
legte. »Sie wollen doch nicht, dass die Königin noch mehr von Miss Dair nimmt, oder, Madame Lefoux? Sie bieten sich an ihrer Stelle an, nicht wahr? Das ist sehr großzügig. Besonders, wenn man bedenkt, wie zurückhaltend Sie bisher mit Ihrem Blut waren, seit Sie zu uns kamen.«
Madame Lefoux strich sich trotzig das Haar hinter die Ohren. Sie hatte es ein wenig länger wachsen lassen, seit sie eine Drohne war, aber es war immer noch zu kurz für eine Frau. Ohne zu protestieren, bot sie Countess Nadasdy ihr Handgelenk. Die grub ihre Fangzähne hinein. Madame Lefoux wandte den Blick ab.
»Vielleicht sollten der Major und ich uns an dieser Stelle verabschieden«, schlug Alexia vor, die sich unwohl angesichts von Genevieves geheuchelter Gleichgültigkeit fühlte.
Fenchurch Street war nicht Alexias liebste Haltestelle. Sie lag zu nah an den Hafenanlagen und dem Tower von London. Der Tower mit all seinen Gespenstern, die sich nicht exorzieren lassen wollten, verursachte ihr stets einen Schauer. Die Geister kamen ihr wie Dinnergäste vor, die länger blieben, als sie willkommen waren.
Lady Maccon und Major Channing waren zur ruhigsten Zeit der Nacht aus dem Zug gestiegen, weshalb auch nirgendwo ein Schaffner auszumachen war. Lady Maccon saß allein im Warteraum der ersten Klasse und wartete ungeduldig auf Major Channing, der gegangen war, um eine Mietdroschke zu organisieren.
Unmittelbar, nachdem Channing verschwunden war, platzte ein Mann durch die Tür herein, wie Alexia ihm noch nie begegnet war. Sie wusste zwar, dass es in London solche Leute gab, aber gewiss nicht in ihrem Teil der Stadt! Sein Haar war lang und zottelig, sein Gesicht sonnenverbrannt wie das eines Seemanns, der Bart wild und ungepflegt. Allerdings hatte Alexia keine Angst vor ihm, denn der Mann schien sich in einem Zustand äußerster Bedrängnis zu befinden, und er kannte ihren Namen.
»Lady Maccon! Lady Maccon!«
Er sprach mit schottischem Akzent. Seine Stimme kam ihr irgendwie bekannt vor, obwohl sie so schwach und brüchig war. Alexia konnte dieses ausgemergelte, krebsrote Gesicht beim besten Willen nicht zuordnen, nicht unter all diesem Wildwuchs.
Sie sah den Mann an. » Kenne ich Sie, Sir?«
» Aye , Mylady. Dubh.« Er brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ich seh ein klein bisschen anders aus als beim letzten Mal, als Sie mich gesehn habn.«
Der Werwolf hätte nicht stärker untertreiben können. Dubh war noch nie ein besonders gut aussehender oder angenehmer Mann gewesen, aber nun war er geradezu unansehnlich. Ein Schotte zwar, und Alexia musste zugeben, dass ihre Vorlieben in diese Richtung tendierten, doch in der Vergangenheit war das Verhalten dieses Mannes nicht gerade nach Alexias Geschmack gewesen. Er war Conall gegenüber handgreiflich geworden, was zur Verwüstung eines Esszimmers und der Vernichtung einer ganzen Platte von Sahnebaisers geführt hatte. »Aber, Mr Dubh, wie kommt es, dass Sie so dringend einen Besuch beim Barbier benötigen? Fühlen Sie sich nicht wohl? Wurden Sie Opfer eines anarchistischen Anschlags?«
Alexia machte Anstalten, zu ihm zu gehen, da er am Türrahmen lehnte und es stark danach aussah, dass er daran herunterrutschen und auf dem Fußboden zusammenklappen würde.
»Nein, Mylady, ich bitte Sie. Ich könnte Ihre Berührung nich’ ertragen.«
»Aber, mein werter Sir, lassen Sie mich doch zumindest Hilfe holen. Sie werden bereits sehr vermisst. Ihre Alpha ist hier in London und sucht nach Ihnen. Ich könnte Major Channing losschicken, um …«
»Nein, bitte, Mylady, hören Sie nur zu. Ich hab darauf gewartet, Sie allein zu erwischen. Das hier is’ eine Angelegenheit nur für Sie. Ihr Haushalt … Ihr Haushalt ist nich’ sicher. Es ist nich’ eingedämmt.«
»Fahren Sie fort.«
»Ihr Vater … Was er getan hat … in Ägypten. Sie müssen es aufhalten.«
»Was? Was hat er getan?«
»Die Mumien, Mylady, sie …«
Ein Schuss zerriss scharf und überlaut die Stille des Bahnhofs. Lady Maccon schrie auf, als ein Fleck roten Blutes auf Dubhs Brust aufblühte. Mit völlig überraschtem Gesichtsausdruck hob er beide Hände an die Wunde, dann fiel er nach vorn und schlug mit dem Gesicht auf den Boden. Er war in den Rücken geschossen worden.
Alexia rang verzweifelt die Hände und zwang sich mit aller Willenskraft, ihn nicht zu berühren, obwohl jeder Instinkt in ihr sie drängte, dem verwundeten Mann zu helfen. Aus vollem Halse schrie sie, so laut sie konnte: »Major Channing, Major
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