Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
der besagte, dass sie sich auf sehr dünnem Eis bewegte.
Hastig ruderte Ivy zurück. »Aber schwarz und weiß ist natürlich um einiges langlebiger, und du willst ja noch länger etwas von ihm haben.«
»Ganz genau.«
»Darf ich dir an Deck Gesellschaft leisten?«
»Um seine Anatomie zu begutachten?«
»Seine Anatomie? Nein, meine liebe Alexia, um seine …«, Ivy zögerte errötend und sah sich um, ob sie vielleicht belauscht wurden, »… seine Absonderheiten zu erkunden.«
»Das habe ich doch damit gemeint.«
»Ach, wirklich? Nun, darf ich?«
Alexia dachte daran, dass Ivy offiziell zu ihrem inneren Kreis gehörte, und da dieser Parasol immerhin das bestimmende Merkmal dieses Kreises darstellte, antwortete sie: »Natürlich darfst du das, meine liebe Ivy.«
Aufgeregt klatschte Ivy in ihre blau behandschuhten Hände. »Ich hole mir nur noch eine Stola und meine Haarwärmer.«
»Wir sehen dich dann oben.« Lady Maccon nahm ihren Gatten am Arm und führte ihn fort.
»Mein Liebes, was sollte denn das hier bedeuten …?« Conall wedelte sich in einer treffenden Imitation von Ivys Fingergewackel vor der Nase herum.
»Ach, lass ihr doch den Spaß, Conall.«
»Wenn du es sagst, meine Liebe. Trotzdem ein eigenartiges Verhalten. Als hätte sie eine lästige Fliege vor der Nase.«
Ivy gesellte sich samt eines Wechsels ihrer Garderobe gut fünfzehn Minuten später zu einer bibbernden Alexia und einem genervten Lord Maccon aufs Promenadendeck.
Ivy trug nun ein haarsträubendes Paar Haarwärmer, das zweifellos eigens für sie entworfen worden war. Es war exakt auf Ivys Haar abgestimmt und bestand aus einer Vielzahl von Korkenzieherlöckchen, die ihr auf griechische Art über die Ohren fielen, gekrönt von einem Diadem aus Zöpfchen und durch und durch von goldenen Tressen durchzogen, mit einem vergoldeten Dolch über dem linken Ohr und einer Kaskade aus Blättern und goldenen Früchten am Hinterkopf. Es sah eher nach einer Frisur für einen Ball aus als alles andere. Das Ganze bestand aus einem Stück und saß wie ein Helm über Ivys eigenem Haar.
Da der Haarwärmer sowohl ihre Ohren als auch den Kopf gänzlich bedeckte, war Mrs Tunstell zwar warm eingepackt, aber auch so gut wie taub.
»Ivy, na endlich, wo warst du denn so lang?«, wollte Lady Maccon wissen.
»Du hättest gern Gesang? Aber ich kann dir doch unmöglich hier an Deck ein Ständchen vortragen. Vielleicht später im Salon. Du wolltest mir doch die Anthropologie dieses Sonnenschirms zeigen, erinnerst du dich?«
»Ja, Ivy, ich weiß. Wir haben auf dich gewartet und fangen schon an zu frieren.«
»Funktionieren? Nun, ich nehme an, dem Accessoire lag auch eine Anleitung bei. Er kann unmöglich so viel anders funktionieren als dein ursprünglicher absonderlicher Sonnenschirm.«
Alexia gab es auf und wandte sich ihren Experimenten zu. Sie zog die Handschuhe aus und reichte sie Ivy, die sie mit ernster Miene entgegennahm und sie in ihr Retikül steckte. Dann zog Alexia die Gebrauchsanweisung zurate.
Eine der drei kleinen Erhebungen am Griff, die erste, schien überhaupt nichts zu bewirken, wenn man daran drehte. Da sie den Sonnenschirm hinaus aufs Meer richtete und es sich um den Magnetstörfeld-Emitter handelte, war das wohl auch richtig so. Selbst Alexia war nicht so dreist, nach Achtern zu traben, um den Sonnenschirm an der Maschine des Dampfschiffs zu testen.
»Nichts passiert«, beanstandete Ivy enttäuscht.
»Das sollte es auch nicht bei dem Störfeld-Emitter.«
»Ein Gewitter? Nun, der Himmel ist zwar noch klar, aber ich nehme an, das Wetter kann sich auf See recht schnell ändern«, entgegnete Ivy.
Der Knopf in der Mitte ließ, wenn er nach links gedreht wurde, einen langen silbernen Stachel hervorschnellen, nach rechts gedreht einen hölzernen. Anders als bei Lady Maccons vorherigem Parasol konnten nicht beide gleichzeitig hervorschießen.
Alexia war sich nicht sicher, ob ihr diese Veränderung gefiel. »Was ist, wenn ich gleichzeitig Vampire und Werwölfe abwehren muss?«
Lord Maccon bedachte sie mit einem sehr mürrischen Blick.
»Ooh, ooh, ooh!« Ivy hüpfte vor Aufregung über irgendeine Offenbarung regelrecht auf und ab. »Ich hatte gerade einen Gedanken«, rief sie, während sie den spitzen hölzernen Pflock interessiert betrachtete.
»Ja?«, ermutigte Alexia sie laut.
Ivy hielt inne und legte besorgt ihr keckes kleines Gesicht in Falten. »Ich sagte, ich hatte einen. Er scheint wieder verschwunden zu sein.«
Alexia wandte
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