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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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sämtliche Stationen ruckte und mit welchen Tricks sich ein Maximum an Beschleunigung herauskitzeln ließ. Alles funktionierte einigermaßen; was an Seitenscheiben übrig war, glitt auf Knopfdruck rauf und runter, genau wie die Antenne, wenn man das Radio ein- und ausschaltete, und auch das Schiebedach öffnete und schloss elektrisch, was mir alles zusammen eine kindische Freude bereitete, bis bei jedem weiteren Knopfdruck der Motor in die Knie zu gehen drohte und der beißende Geruch einer kurz vor der Kernschmelze stehenden Lichtmaschine durch die Lüftung gewabert kam.
    So, dachte ich. Räder hätten wir. Dann wollen wir uns mal eben rasch die Zwanzigtausend verdienen.

Kapitel 2. Wer suchet, der...
    Mein Beruf ist in vieler Hinsicht Auffassungssache. Wenn ich einen Auftrag wie den von Ursel Sentz annehme, verstehe ich meine Arbeitsweise nicht als Suche. Eine Suche erfordert ein sorgfältiges, methodisches Vorgehen und ist damit in gleichem Maße mühsam wie zeitaufwendig. Dafür habe ich nicht die Geduld. Was ich mache, ist ein eher instinktgesteuertes Herumstöbern mit dem Ziel, etwas aufzuspüren oder aufzuscheuchen, das mich meiner Sache näher bringt. Und habe ich einmal eine Fährte aufgenommen, verstärke ich den Druck durch sofortiges Hinterherhetzen, und wenn das ohne Erfolg bleibt, gehe ich zurück zum Ausgangspunkt und spicke das Terrain mit Lockmitteln, Ködern und Fallen. Für diese Technik gibt es ein Wort. Es heißt: die Jagd.
    Ich hatte einen Plan, und mein Freund Pierfrancesco Scuzzi spielte eine Hauptrolle darin, doch vorher musste ich mich einfühlen. Ich musste die Luft schnuppern, die Sascha so atmete, einen Blick werfen auf das Milieu, in dem er sich bewegte, versuchen, herauszufinden, was ihn ticken machte. Instinkt ist ein Sinn wie jeder andere, und wie jeder andere Sinn verkümmert er ohne Stimulation.
    In Gelsenkirchen war der Gesuchte zuletzt gesehen worden. Da würde ich mich einschnüffeln. Ohne großes Zögern schwang ich mich schwungvoll auf die A 40. Die Jagd begann. Ich schwang mich schwungvoll auf die A 40 und kam unglaubliche 4 oder 5 Kilometer weit, bevor ich kurz das Schwanzende einer institutionalisierten Verkehrsnachricht bilden durfte. >Auf der A 40 in beiden Richtungen zäh fließender Verkehr mit Stillstand< ist unverrückbarer Bestandteil des nordrhein-westfälischen Feierabend-Verkehrsfunks, so wie >Und nun aus Frankfurt die Wettervorhersage< seinen festen Platz in der >Tagesschau< hat.
    Ich hätte es auf einer anderen Autobahn versuchen können, doch da weiß man nie, was einen erwartet. Die Jagd begann also. Die Jagd begann im Stau.
    »Sie sind chronisch klamm, Kryszinski. Und erzählen Sie mir nichts anderes!« Als ob ich das vorgehabt hätte. Ich meine - ich bin Selbständiger. Wir sind immer klamm, alle, ganz gleich, welcher Behörde gegenüber. »Ich habe Ihre Kontoauszüge gesehen.«
    Und nicht geweint. Hauptkommissar Menden ist ein Brocken, hart wie die Luftgetrocknete von Mettwurst-Lothar.
    »Er hat seit Monaten keinen Pfennig Miete gezahlt«, wusste Hufschmidt, »und sein Deckel in der Kneipe, über der er haust, ist rekordverdächtig.« Im Ernst? Wirklich? Mir fiel auf, dass ich Bernhard, meinen Wirt und Vermieter, schon länger nicht mehr danach gefragt hatte.
    »Und da kam Ihnen Sascha Sentz wie gerufen.« Wie wahr. Zwanzig Mille, dachte ich düster. Miete, Deckel, Dispo, ein paar kleinere Schulden hier und da - es hätte gereicht. So gerade. Möglich, dass sogar ein Ölwechsel für die Carina dringesessen hätte. Ah, verdammt.
    »Kryszinski, wir haben Zeit. Ich bin mir sicher, dass wir Ihr Geldversteck finden werden, doch selbst ohne diesen Beweis haben wir genug gegen Sie in der Hand, um Sie bis zur Verhandlung in U-Haft zu behalten. Warum wollen Sie nicht begreifen, dass Sie sich durch Ihr hartnäckiges Schweigen nur noch tiefer reinreiten?«
    U-Haft. Ein Wort wie eine Unterhose voll Eiswürfel. Sicher weggeschlossen darfst du warten und warten, während Polizei und Staatsanwaltschaft mit großer Akribie jeden noch so kleinen Fitzel zusammentragen, mit dem sie dich vor Gericht belasten können, und alles, was du selbst zu deiner Ent lastung beitragen kannst, ist, deinen Anwalt mit bröckchenhaften Versatzstücken deines schwindsüchtigen Erinnerungsvermögens zu verstören.
    Nein, U-Haft musste unter allen Umständen vermieden werden. Vor Gericht zu kommen musste unter allen Umständen vermieden werden. Und um aktiv daran mitarbeiten zu können, das zu

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